Die Schnellen und die Schießwütigen

Die Urheber der Polizeiserie „S.W.A.T.“ mischen Actionkino mit einem Rest Qualitätsfernsehen.

Aus Fernsehserien lassen sich, wie aus der Literatur, gewisse zur Entstehungszeit wirksame gesellschaftliche Phänomene herauslesen, sei es in Form offen angesprochener Themen oder auf einer unterschwelligen Ebene. Beispielsweise fand die schwarze Bürgerrechtsbewegung in den USA einen Widerhall unter anderem in TV-Serien wie „Shaft“ und „Get Christie Love!“. „Shaft“ mit Richard Roundtree als schwarzem Privatdetektiv folgte auf die gleichnamige Kinotrilogie. Teresa Graves in „Get Christie Love!“ war die zweite schwarze Schauspielerin in einer Serienhauptrolle und gerade mal die erste in einer Krimiserie.

Diesen Ansätzen zur Gleichberechtigung bei der Rollenverteilung stand ungefähr zur gleichen Zeit die Polizeiserie „S.W.A.T.“ gegenüber. „S.W.A.T.“ war damals die Abkürzung für „Special Weapons Assault Tactics“ und bezeichnete polizeiliche Sonderkommandos, die, das ist der Punkt, als Reaktion auf die Rassenunruhen in Watts, einem Stadtteil von Los Angeles, eingeführt worden waren. Der Schritt bedeutete buchstäblich die Militarisierung der Polizeibehörden, denn die ersten „S.W.A.T.“-Teams rekrutierten sich teils aus ehemaligen Soldaten. Kleidung, Bewaffnung, Einsatztaktiken entsprechen bis heute militärischen Vorbildern.

Das „S.W.A.T.“-Team der gleichnamigen Fernsehserie aus dem Jahr 1975 betonte diesen Aspekt noch: alle Angehörigen der Einheit waren Vietnamveteranen und bildeten ein eingeschworenes Team mit ausgeprägtem Korpsgeist.

„S.W.A.T.“: Aus Alt mach Neu

Wie derzeit viele Serienklassiker – darunter „MacGyver“, „Hawaii Five-0“, „Magnum P.I.“ – wurde auch „S.W.A.T.“ neu aufgelegt, 2003 als Kinofilm mit zwei Direct-to-Video-Fortsetzungen und 2017 als TV-Serie, die nun bei RTL Nitro in deutscher Fassung startet.

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Kamera im Jazz-Modus

Wenn Netflix eines kann, dann begabte Menschen einkaufen. Der britische Autor Jack Thorne ist eine feste Größe in der Branche. Er arbeitet für Hörfunk und Bühne, schrieb für Serienproduktionen wie „Shameless“ und „Skins“, die „This is England“-Quadrologie, erdachte die Serie „Glue“, die wie so viele britische Qualitätsserien Krimistory mit Drama verknüpft. Für Netflix hat Thorne die Serie „The Eddy“ entworfen, über einen Jazzclub in Paris, deren US-amerikanischen Betreiber, die Musiker und deren Angehörige. Das Regiekonzept stammt von Damien Chazelle.

Die FAZ überschrieb ihre Kritik mit den Worten „Man muss Jazz schon sehr mögen“ und meinte das als Verriss. Wegen der Mitwirkung Chazelles hatte man wohl so etwas wie „La La Land“ erwartet. Aber hier geht es gerade nicht um Tralala- und Gaga-Land. Jede Episode stellt eine Figur in den Mittelpunkt, die Inszenierung ist dem erzählerischen Inhalt jeweils angepasst. In der Auftaktfolge wird selbstredend erst einmal der Jazzclub vorgestellt, der zu diesem Zeitpunkt noch zwei Besitzer hat. Die Hausmusiker, eine reale Band, sind atemberaubend gut. Der erfahrene Kameramann Eric Gautier lässt sich mitreißen, nimmt die zentralen Merkmale des Jazz, Freiheit, Improvisation, Spontaneität, und übersetzt sie ins Bild, so rhythmisiert und elektrisiert, als gehöre er selbst zur Gruppe. Die ungestüme Handkamera ist aber mitnichten bestimmend für die Serie, wie in der FAZ-Kritik behauptet. Eigentlich eine Binsenweisheit, aber sie hat wohl noch nicht die Runde gemacht: Man sollte Serien nie nach nur einer Folge beurteilen.

„Man muss Jazz schon sehr mögen“ – richtig: um eine derart authentische Serie produzieren zu können, in der die Musik nicht nur als lieblos hingehudeltes Beiwerk dient und die Instrumentalparts von Laien simuliert werden.

Hoffentlich wird der Soundtrack auch in Deutschland bald auf CD verfügbar sein. Digital gibt es ihn bereits.

Die „Blechtrommel“ brachte ihn nach Hollywood

Die Beschäftigung mit dem deutschen Regisseur Volker Schlöndorff muss sich für den Dokumentarfilmer Pierre-Henri Gibert beinahe zwangsläufig ergeben haben. Gibert, auf filmhistorische Themen spezialisiert, hatte schon Porträts der Regiegrößen Jean-Pierre Melville und Louis Malle angefertigt. Schlöndorff beschrieb Melville 1981 in einer Monographie als Vaterfigur und denjenigen, von dem er „am meisten gelernt habe“. Er hatte, eine nicht immer ganz leichte Aufgabe, bei dessen Filmen „Eva und der Priester“ und „Der Teufel mit der weißen Weste“ als Regieassistent gearbeitet. So wie bei Louis Malle, in der Phase zwischen „Zazie“ bis „Viva Maria!“. In Giberts Film über Melville war Schlöndorff bereits als Zeitzeuge aufgetreten.

Eine Wiederbegegnung also, wenn Gibert nun auch Schlöndorff filmisch porträtiert. Ein bis zur Parteilichkeit wohlwollender Beitrag. Er beginnt mit Schlöndorffs größten Triumphen: der Goldenen Palme für die Günter-Grass-Verfilmung „Die Blechtrommel“ und dem Oscar für den besten ausländischen Film. Die Goldene Palme musste er sich allerdings mit Francis Ford Coppola teilen, der mit „Apocalypse Now“ ins Rennen gegangen war.

Seine Karriere im Filmgeschäft verdankt Schlöndorff, so sagt er selbst, einem glücklichen Zufall. In einer kleinen hessischen Gemeinde aufgewachsen, brachte ihn ein Sprachkurs nach Frankreich. Ein zweimonatiger Aufenthalt war geplant, es sollten zehn Jahre werden. Schulausbildung, Pro-Forma-Studium in Paris und vor allem regelmäßige Besuche in der Cinémathèque française, der Bildungsstätte angehender Regisseure und Regisseurinnen. Bekanntschaften mit den Filmkritikern und späteren Nouvelle-Vague-Regisseuren Godard und Chabrol. Bertrand Tavernier war Schlöndorffs Schulkamerad gewesen.

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