Gräber schweigen nicht für ewig

Wer britische Serien wie „Line of Duty” mag, sollte bei „Bloodlands – Die Goliath-Morde” einen Blick riskieren. Die BBC-Produktion startet am heutigen 17.4.2022 um 22 Uhr im ZDF und ist anschließend in der Mediathek zu sehen. Sie spielt in Irland und thematisiert gewisse Nachwirkungen des Bürgerkriegs. In manchen Köpfen sind die alten Fronten noch präsent. Mehr dazu hier: https://www.epd-film.de/tipps/2022/mediathek-bloodlands

Der Verkaufshit unter den Donnerstagskrimis

Auch in Frankreich geschätzt: Trotz mittelmäßiger Machart ist die deutsche Krimireihe „Kommissar Dupin“ ein internationaler Verkaufsschlager.

Frankfurt – Wer in Kanada urlaubt und dort den Fernseher einschaltet, könnte auf ein bekanntes Gesicht treffen: den Schauspieler Pasquale Aleardi. Seit 2014 verkörpert der Schweizer in der Reihe „Kommissar Dupin“ die gleichnamige Hauptfigur. Für das Ausland offenbar so überzeugend, dass ein englischsprachiger Autor der Webenzyklopädie Wikipedia „Kommissar Dupin“ irrtümlich als französische Produktion einstuft.

Auch dort, wo die nach Regionalkrimis von Jean-Luc Bannalec alias Jörg Bong gedrehte Reihe angesiedelt ist, im bretonischen Concarneau, hatte man Aleardi schon auf dem Schirm. Dort liefen die bis 2018 gedrehten Episoden auf France 3 und erzielten im Durchschnitt einen beachtlichen Marktanteil von 15 Prozent. „Kommissar Dupin“ ist ein Verkaufserfolg.

Weiter geht es hier: https://www.fr.de/kultur/tv-kino/kommissar-dupin-bretonische-idylle-ard-heute-im-ersten-krimi-pasquale-aleardi-tv-kritik-91480624.html

Adaptionen, Ambitionen, Kreationen

Formatverkäufe gehören in der Fernsehbranche zum Geschäft. Shows und Serien werden adaptiert oder, vor allem seit Aufkommen der Streaming-Dienste eine verstärkt ausgeübte Praxis, die Rechte an eingestellten Produktionen angekauft und beispielsweise Serien fortgeführt. Netflix beispielsweise griff auf „Arrested Development” ebenso zurück wie auf gut eingeführte Titel wie „The Killing”, „Longmire”, „Black Mirror”, „You – Du wirst mich lieben” oder gab Ableger bekannter Serien in Auftrag wie „Fuller House”, „Degrassi: Die nächste Klasse“, in Spielfilmform „Ferry” als Prequel zu der von öffentlich-rechtlichen Sendern entwickelten belgisch-deutschen Kultserie „Undercover”.

Besonders erfolgreich im Formatverkauf ist das kleine Land Israel. „Be Tipul” wurde in vielen Ländern adaptiert, gegenwärtig läuft die französische Version unter dem Titel „In Therapie” bei Arte, wo auch schon das israelische Vorbild zu sehen war. Auch „Hatufim – In der Hand des Feindes” wurde bei Arte ausgestrahlt. Die bekanntere US-Version trug den Titel „Homeland”. Vergleiche waren also möglich, weshalb verwundert, dass im aktuellen „Jahrbuch Fernsehen” geschrieben steht: „Die Serien der israelischen Mega-Produktionsfirma Keshet, auf die einige der US-Thriller-Erfolge wie ‚Homeland‘ basieren [sic!], haben das Erzähltempo seit den 90er Jahren stark erhöht.” Gerade „Hatufim” betont im Vergleich zur aktionsreicheren US-Version den dramatischen Gehalt der Geschichte, geht in die Tiefe statt von einer Einstellung zur nächsten zu hasten. Nebenbei: Der besagte Text widmet sich laut Untertitel „den neuen Erzählformen der boomenden Streaming-Plattformen”. Die meisten Beispiele aber stammen aus dem herkömmlichen linearen Fernsehen. Zum Beispiel wird „Fleabag” prominent hervorgehoben, eine Serie der öffentlich-rechtlichen BBC.

Eine deutsche Formatadaption hat am heutigen 9. April 2022 im Ersten Premiere in linearer Form. „Euer Ehren” basiert wiederum auf einem israelischen Format. Die Autoren David Nawrath und David Marian halten sich recht eng an die Vorlage „Kvodo” (2017), von der es bereits US-amerikanische, französische, russische, indische Versionen gibt. Nawrath führte auch Regie und übernahm einige Einstellungen der israelischen Kollegen Ron Ninio. Siehe unten.

„Euer Ehren” weist einige eigenständige Zutaten auf, die deutschen Bearbeiter gehen aber nicht so weit wie Peter Moffat, der die US-Version „Your Honor” verantwortete und sich in vielen Punkten von der Vorlage löste. In Deutschland gelten dem Original folgende Übertragungen bereits als anerkennenswerte kreative Leistung. „Stromberg” erhielt einen Grimme Preis, als der Autor Ralf Husmann noch öffentlich behauptete, die Serie sei keine Adaption des britischen Formats „The Office”. Der auftraggebende Sender ProSieben zahlte später entsprechende Tantiemen an die BBC.

Der Vox-Serie „Club der roten Bänder” wurde ein Grimme Preis für die Drehbücher zugesprochen, die nahezu Übersetzungen der katalanischen Originale waren. Deren Autor Albert Espinosa war sogar zeitweise bei den Dreharbeiten in Köln zugegen. Dennoch wurde sein Name in der Begründung für die Auszeichnung nicht genannt. Dies blieb den beiden Preisträgern Arne Nolting und Jan Martin Scharf überlassen, die hochanständig im Rahmen der Verleihung darauf hinwiesen, dass Espinosa ihnen die Vorlagen für ihre Skripte geliefert hatten. Die Grimme-Nominierungskommission übrigens hatte auf einen Vergleich von Original und Adaption verzichtet, obwohl die Statuten eben dies verlangten.