Homeschooling für Serienkenner

Welche Behausung ist drinnen größer als draußen? Mehrfachnennungen sind möglich.

a) Das Einfamilienhaus der Brady-Familie in „Drei Mädchen und drei Jungen“ („The Brady Bunch“).

b) Das Apartment von Emma Peel in „Mit Schirm, Charme und Melone“ („The Avengers“).

c) Die Wohnung von Nummer sechs im „Village“ („The Prisoner“).

d) Die Polizeitelefonzelle von Doctor Who.

Krimi im Kunstquartier

Am Donnerstag, 18. Februar, um 19:00 Uhr wird in der Livestream-Reihe „4-Ecken-Lesung“ in den Räumen des BBK Osnabrück unter anderem mein jüngster Kriminalroman „Tod auf dem Zauberberg – kuren, kneippen, sterben“ vorgestellt. Vielleicht gepriesen, vielleicht verrissen, wer weiß. Lassen wir uns überraschen. Ferner vertreten ist der Krimiautor Stefan Wollschläger. Abgerundet wird das Programm durch eine Präsentation der Schaufensterausstellung „Lost in Heaven“ von Lothar Nordmann.

Hier der Link: https://de-de.facebook.com/events/706529243360505/

Journalisten schreiben, Leser antworten: Erdkunde

In Sachen Geografie scheint es bei der F.A.Z. bisweilen zu hapern. Da wurde in einer Besprechung der Krimireihe „Nord bei Nordwest“ schon mal Ostfriesland an die Ostsee – Schauplatz der Serie – verlegt (im Nachhinein korrigiert) und an anderer Stelle „Voodoo“ in Australien verortet. Auch im jüngsten Fall war wohl gerade kein Atlas zur Hand: „Die ursprünglich an der britischen Südwestküste [sic!] situierte Serie (…)“

Sehr richtig erfuhr die Leserschaft einige Zeilen vorher, dass der Vorspann zu der gemeinten britischen Serie „Liar“ in Essex gefilmt wurde. Die den Stabangaben unterlegte malerische Marschlandschaft aber wird man im Westen des Königreichs vergeblich suchen. Essex liegt an der Ostküste. In Dover runter von der Fähre, dann ist man schon in Kent, wo ebenfalls Dreharbeiten für die Serie stattfanden. Nach Essex geht es Richtung London, rechts halten.

Ein Sender duckt sich weg

Foto: Sat.1/Joyn

Am Dienstag, 9.2., und Mittwoch, 10.2., zeigte Sat.1 den mit Felicitas Woll und Barry Atsma attraktiv besetzten Vierteiler „Du sollst nicht lügen“. Eine Adaption der britischen Produktion „Liar“ (2017) mit Joanne Froggatt (wir kennen sie aus „Downton Abbey“ …) und Ioan Gruffudd (… und ihn aus „Forever“ und „UnREAL“). Die deutschen Autoren Dirk Morgenstern und Astrid Ströher sowie Regisseur Jochen Alexander Freydank hielten sich recht eng an die Vorlage der Brüder Harry und Jack Williams, die mit „Rellik“ und „The Missing“ weitere überdurchschnittliche Serien in der Vita haben und den Kritikerhit „Fleabag“ als ausführende Produzenten betreuen.

Eine Produktion also, die ein wenig Aufmerksamkeit verdient hätte, so wie einige der Fernsehfilme, die Sat.1 in den letzten Monaten ausgestrahlt hat. Aber der Sender macht es Rezensenten schwer. Es gibt keine Presse-Lounge, in der akkreditierte Journalisten schon mal prüfende Blicke riskieren können. Und auch mit den programmbezogenen Ankündigungen tut sich die ProsiebenSat.1-Presseabteilung schwer. Selbst wenn man sich, wie vom Sender gewünscht, für den Bezug dieser Mitteilungen schriftlich angemeldet hat, wird man kaum oder gar nicht versorgt. Auf eine diesbezügliche Anfrage hin wurde mir nachgerade vorwurfsvoll mitgeteilt, ich hätte doch in den vorangegangenen Wochen vier Pressemitteilungen erhalten. Für Außenstehende: Von anderen Sendern bekommt man vier Pressemitteilungen und mehr pro Tag. Und: Von diesen vier Hinweisen betraf nicht eine das Sat.1-Programm.

Falls jemand „Du sollst nicht lügen“ noch nacharbeiten möchte – was nicht nötig ist, wenn man das bei Vox bereits 2018 ausgestrahlte, inzwischen um eine zweite Staffel verlängerte Original gesehen hat – hat bei Joyn noch die Möglichkeit.

Foto: ITV

Soigniert in Whitehall statt schmierig in Washington

Ab 12. Februar gibt es in der Arte-Mediathek die von Andrew Davies verfasste britische Erstverfilmung von „House of Cards“ aus dem Jahr 1990. Der Entstehungszeit entsprechend gediegener erzählt als heutige Serien. Wogegen nichts spricht, wenn die Charaktere spannend gestaltet sind.

Bei der Neuverfilmung beging das Team den Fehler, Frank Underwoods wahren Charakter gleich in der ersten Sequenz zu enthüllen. Schon ab diesem Moment traut ihm jede Schandtat zu, das nahm der Serie einiges an Reiz. Bei Underwoods britischem Vorgänger Francis Urquhart durfte man sich seinerzeit noch überraschen lassen. Und zwar gewaltig.

Der US-Version wurde gelegentlich nachgesagt, der Hauptautor Beau Willimon habe hier Donald Trump vorweggenommen. Jedoch ist Frank Underwood ein kühl kalkulierender Stratege. Trump hingegen agiert häufig emotional und irrational, lässt sich vom Mediengeschehen und wohl auch von (falschen) Beratern leiten. Genau betrachtet, spielte die Neuauflage Trump sogar in die Hände. Die Serie zeigt Washingtons Politlandschaft vom Weißen Haus bis zur Presse als durch und durch korrupt. Trump machte Wahlkampf mit der Aussage, den „Sumpf“ an Korruption in Washington trockenlegen zu wollen. Wer wollte, konnte „House of Cards“ (US) in diesem Sinne auffassen.

In Deutschland wurde die britische Serie, die zunächst als Vierteiler begann und 1993 fortgesetzt wurde, unter dem Titel „Ein Kartenhaus“ vom Ersten ausgestrahlt, wo man je zwei der 45-minütigen Folgen zusammenfasste und die so entstandenen beiden Filme auf zwei Abende verteilte. Andrew Davies übrigens ließ reale Politikernamen einfließen. Seine Serie beginnt mit der Abdankung Margaret Thatchers.

Wer kann, sollte die BBC-Verfilmung von „House of Cards“ in der englischen Tonfassung schauen. Denn niemand, schon gar nicht der Langweiler Kevin Spacey, spricht die legendären Worte „You might very well think that; I couldn’t possibly comment“ so kultiviert und durchtrieben wie der soignierte Sir Ian Richardson.

Highly recommended.

Hollywood gibt sich die Kugel

Am 3. Februar 2021 wurden die Nominierungen für die diesjährigen Golden Globe Awards veröffentlicht. Ausrichter des Preises ist die Hollywood Foreign Press Association. Schon seit 1956 prämieren die Organisatoren neben Kino- auch Fernsehschaffende. Es ist noch nicht allzu lange her, da wurden die Fernsehpreisträger in der deutschen Presse kaum oder gar nicht berücksichtigt. Die Berichterstattung hätte sich nicht vertragen mit der propagierten Mär, in Hollywood werde zwischen Kino und Fernsehen strikt getrennt. Eine Falschdarstellung, geboren aus einem Kultursnobismus, der das Kino höher einschätzt als das vermeintlich triviale Fernsehen. Dabei ist das Fernsehen dem Kino oftmals sogar voraus. In diesem Jahr ist Aaron Sorkins Kinofilm „The Trial of the Chicago 7“ unter anderem in der Kategorie Bestes Drama nominiert. Die britische BBC und der deutsche Bayerische Rundfunk brachten den Stoff in einer Koproduktion schon 1970 respektive 1971, also kurz nach dem realen Gerichtsprozess, auf die Bildschirme. Der deutsche Titel lautete „Verschwörung gegen die Ordnung“. Als Fernsehfilm mit dokumentarischen Anteilen setzte Jeremy Kagan 1987 die Ereignisse mit unter anderem Martin Sheen, Peter Boyle, Elliott Gould für HBO in Szene.

Wie alle Jahre, wird die Vorauswahl der Golden-Globe-Preisrichter kritisch kommentiert. Es gibt denn auch einige Eigenarten. In mehreren Kategorien nominiert ist die kanadisch-US-amerikanische Sitcom „Schitt’s Creek“, die 2020 in der sechsten Staffel ausgestrahlt wurde. Die Filmjournalisten sind recht spät dran. In ihrem Heimatland erhielt die Serie bereits 2016 stolze sechzehn Canadian Screen Awards. Offenbar wollte die Jury den letztjährigen Emmys nachfolgen, bei denen „Schitt’s Creek“ – ebenfalls mit arger Verzögerung – zu den Hauptgewinnern zählte.

Weitere bekannte Titel bei den diesjährigen Globes: „Killing Eve“, „The Crown“, „Ozark“, „Better Call Saul“, alle schon länger im Programm und teils schon mehrfach mit Preisen bedacht. Es ist den Juroren nicht entgangen, dass auch neue Serien angelaufen sind, aber das Bewährte hat immer seinen Platz. Immer wieder werden bemerkenswerte Leistungen ignoriert. Unberücksichtigt blieben in der Vergangenheit die Neuauflage von „Battlestar Galactica“, „Black Earth Rising“, „The 100“, „The Singing Detective“, um nur wenige zu nennen.

Zwar werden die Golden Globes stets als Vorboten der Academy Awards angesehen, man sollte sie aber nicht zu hoch bewerten. Die Hollywood Foreign Press Association ist keine Standesorganisation, sondern ein sehr kleiner und selbst innerhalb des Kollegiums schwer zugänglicher Kreis. Hier feiert, ähnlich wie beim deutschen Grimme Preis, ein bestimmtes Milieu den eigenen Geschmack. Es sind Vertreter eines Berufes, der von den Produzenten und Vermarktern der Filme und Serien intensiv umworben wird.

Neben Oscars, Emmys und Globes existieren noch andere Auszeichnungen, etwa die der Fachverbände wie der Screen Actors Guild oder der Directors Guild of America. Aus der akademischen Sphäre stammt der nach einem komplizierten mehrstufigen Auswahlverfahren vergebene Peabody Award. Es gibt den auf Umfragen basierenden Peoples Choice Award und speziell ausgerichtete Preise wie die Image Awards der National Association for the Advancement of Colored People.

Der Golden Globe ist nur einer von vielen.

Fehlbesetzungen und Wortmeldungen

Am 29. Januar 2021 wiederholte das WDR Fernsehen die achte Folge aus der Diskussionsreihe „Die letzte Instanz“, die der Zuschauerschaft Gelegenheit zur Abstimmung bietet. Als Themen waren angekündigt:

1. Das Ende der Zigeunersauce: Ist das ein notwendiger Schritt?

2. 10 Jahre Instagram: Sind soziale Medien ein Fortschritt?

3. Good Cop, Bad Cop: Können wir der Polizei noch vertrauen?

4. Extrem gepiercte und tätowierte Erzieher und Lehrer: Können wir das unseren Kindern zumuten?

In die Diskussionsrunde gebeten worden waren der Autor und Moderator Micky Beisenherz, der Quatschkopf Thomas Gottschalk (Originalzitat aus einer anderen Sendung: „Nun wissen wir ja, Indiana Jones, ich habe es vorher schon erwähnt, hat die Nazis bekämpft. Das heißt, er lebte in den Fünfzigern.“), die Schauspielerin Janine Kunze sowie Schlagersänger und Gelegenheitsmoderator Jürgen Milski. Der zuständigen Redaktion hätte auffallen müssen, dass hier ein grundsätzlicher Fehler vorlag. Vier Menschen aus der Showbranche, darunter die drei Komplettfehlbesetzungen Gottschalk, Kunze, Milski, sprechen über Personen aus anderen Berufs- und Erfahrungswelten. Betroffene jeder Seite hätten vertreten sein müssen. Erzieher und Eltern, Polizisten und Opfer von Polizeigewalt.

Festgehalten werden muss, dass diese Sendung bei der Erstausstrahlung wenig Beachtung fand. Bei der Wiederholung dann wurde Empörung laut, insbesondere zu Thema eins, der „Zigeunersauce“. Durchaus ein Gesprächsthema, vielleicht einmal mit Unterstützung eines Sprachwissenschaftlers und selbstverständlich in Anwesenheit von Roma- und Sinti-Vertretern. Ein Aspekt: Hat sich das Schimpfwort „Zigeuner“ nicht mittlerweile aus dem früheren Bedeutungszusammenhang gelöst? Hätte man im WDR diskutieren können, hat man aber nicht.

Die Einwände gegenüber der Sendung sind berechtigt, wobei sich in der nachfolgenden, verspäteten Debatte ein kritisiertes Muster wiederholte: Weiße, privilegierte Menschen verfassten Kommentare und monierten die „Zigeunersaucen“-Diskussion ihrerseits über die Köpfe der Betroffenen hinweg, statt nach guter journalistischer Praxis Stellungnahmen einzuholen. Die Berliner „tageszeitung“ generalisierte gar, die Ressentiments gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schürend: „Aber bei den Öffentlich-Rechtlichen besteht wenig Hoffnung.“ Das geriet eine Spur zu vollmundig, denn auch innerhalb der „tageszeitung“ haperte es in der Vergangenheit schon verschiedentlich an sprachlicher Sensibilität. Der „Redakteur für besondere Aufgaben“ Jan Feddersen beispielsweise verwendete in einer – auch sonst sprachlich missglückten – Kritik der TV-Serie „Pinky Blinders“ das „Z-Wort“, unverblümt, nicht als Zitat, nicht kritisch gebrochen, offenbar ohne dass innerhalb der Redaktion jemand Anstoß nahm. Der Text ist weiterhin online verfügbar.