Mit einem mitreißenden Auftritt eröffnete die Tex-Mex-Band Del Castillo das Jazzfest Gronau
Musiker und Publikum gaben ihren Schweiß. Blut und Tränen aber waren nicht zu sehen. Denn die US-Rock-Jazz-Veteranen Blood Sweat & Tears hatten ihr Gastspiel beim Jazzfest Gronau wegen des vulkanbedingten Flugplan-Tohuwabohus kurzfristig absagen müssen. Die als ‚Vorband’ engagierten Del Castillo hingegen waren bereits im Lande und traten auf – und es wurde ihr Abend.
Die Brüder Rick und Mark Castillo und ihre Compadres sehen aus, als seien sie einem Frühwerk des Regisseurs Robert Rodriguez entsprungen. Kein Wunder, dass Rodriguez die Tex-Mex-Band aus dem texanischen Austin für den Soundtrack von „Irgendwann in Mexiko“ buchte. Woraufhin er die Zusammenarbeit sogar noch intensivierte: Mit Rodriguez als Gitarristen und weiteren Musikern sind Del Castillo unter dem Bandnamen Chingon unterwegs – und natürlich auf den Soundtracks von weiteren Filmen, darunter Quentin Tarantinos „Kill Bill: Vol. 2“, zu hören.
Aber auch ohnedies wissen Del Castillo ihren Ruhm zu mehren. Der Ruf einer fantastischen Live-Band eilt ihnen voraus, und dem wurden sie in Gronau mehr als gerecht. Um die 600 Zuschauer hatten sich trotz der Absage der als Haupt-Band vorgesehenen Blood Sweat & Tears zu einem Konzertbesuch entschlossen, und sie dürften es nicht bereut haben. Aus dem Korsett eines „Support Acts“ befreit, tobten Del Castillo wie ein musikalischer Wüstensturm über die Bühne. Die sechsköpfige Band spielt eine feurige Mischung aus elektrifiziertem Flamenco, mexikanischer Folklore nach Art der Mariachi-Ensembles, Latin und Blues. Verwandte Größen sind das Sir Douglas Quintett, Mink de Ville, Los Lobos.
Rick und Mark Castillo blicken auf eine Vergangenheit in Rock- und Metal-Bands zurück und haben sich diese Energie erhalten, auch wenn sie heute Nylon- statt Stahlseiten zupfen. Und manchmal hat es etwas von einem Duell, wenn die Brüder wie im Wettstreit die Finger übers Griffbrett tanzen lassen. Immer wieder gab es Zwischenapplaus für ihre virtuosen Darbietungen und auch für kleine Showeinlagen, bei denen der Mikrofonständer oder auch mal das Bierglas seines Zuschauers für den Slide-Effekt herhalten musste.
Blickfang der Band ist der charismatische Sänger Alex Ruiz, der selbst einem Antonio Banderas die Schau stehlen würde. Er schmeichelt, raunzt, liefert einen bodenständigen Blues oder säuselt verführerisch, unterstreicht die Songtexte mit theatralischen Gesten oder trappelt schnelle Flamenco-Einlagen, wenn er nicht gerade die Damen in den ersten Reihen bezirzt.
Bezogen auf Del Castillo wird der Begriff Spielfreude zum Euphemismus, sie legen pure Spielbegeisterung an den Tag und vermitteln unverfälschtes Vergnügen an ihrer Arbeit, wenn sie unvermittelt in einen Walzer verfallen oder spielerisch den Stones-Klassiker „Sympathy For the Devil“ zitieren. Auch ihre Ansagen zeugen von Entertainer-Qualitäten. Alex Ruiz hatte sich augenscheinlich mit dem Auftrittsort – es war der Saal des Gronauer Rock- und Pop-Museums – bekannt gemacht: einmal kündigte er an, den nächsten Song in das alte Mikrofon von John Lennon singen zu wollen. Der stets freundlich strahlende Bassist Albert Besteiro dichtete bei der Vorstellung der Band einigen Mitgliedern deutsche Städte als Herkunftsorte an und präsentierte den Percussionisten, den Jüngsten im Bunde, als „Gründungsmitglied von New Kids on the Block“.
Auch mit Blick auf die Rahmenbedingungen kann man sagen: Dies war ein Konzert, wie es sein sollte. Keine finster dreinblickenden Wachmänner, keine Absperrungen vor der Bühne, kein Fotografierverbot, eine zugängliche Band. Alex Ruiz konnte problemlos Fans und Freunden in der ersten Reihe die Hand schütteln und gab später noch Autogramme, einer der Gitarristen stieg auch mal von der Bühne herab, Bassist Albert Besteiro scherzte mit den Fotografen.
Das Publikum reagierte begeistert, zur sichtlichen Freude der Musiker, die am Ende eine Zugabe mehr gewährten, als laut Set-Liste vorgesehen war. Diese Band dürfte sich bei ihrem Europaaufenthalt sehr viele Freunde gemacht haben. Demnächst wird man sie wohl in größeren Hallen sehen.
© Harald Keller
© Harald Keller
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