Serien der Sonderklasse

Wenn man über Politserien spricht, darf der Name Hugo Blick nicht fehlen.

Es kann vorkommen, dass das Schauen einer TV-Serie des Briten Hugo Blick einem den Atem raubt. Verursacht vielleicht ob der frappanten Qualität der Drehbücher. Der eleganten Dialoge. Der unerhört präzisen, durchdachten Inszenierung. Am wahrscheinlichsten aber weil Hugo Blick, der seine Karriere als Schauspieler begann, die Vorschriften handelsüblicher Lehrwerke über das Drehbuchschreiben gern gründlich missachtet.

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Geziert, gedruckst, fachfremd – Feuilletonesisch in der Fernsehkritik

Es ging circa mit dem Siegeszug der „Sopranos“ einher, dass das deutsche Feuilleton Interesse am Wesen der Fernsehserie entwickelte. Man staunte über Begriffe wie „Showrunner“, „Writers’ Room“, „Miniseries“, das „Goldene Zeitalter des Fernsehens“, und weil man sie selbst zuvor nie gehört hatte, erklärte man das Bezeichnete kurzerhand zur Novität.
Nicht nur wurden, jegliche Sorgfaltspflicht in den Wind schießend, falsche Behauptungen aufgestellt, man pflegte seine Serienbesprechungen auch in einem gestelzten Feuilletonesisch abzufassen.
Viele Vertreter dieser Sparte schrieben ursprünglich über das Theater und schleusten Kriterien aus ihrem Erfahrungsbereich in die Film- und Fernsehkritik. Schauspielleistungen beurteilen sie nach den Maßgaben der Bühnenarchitektur, nicht nach den Erfordernissen der Kamera. Lob seitens feuilletonistischer Skribenten findet das theatralische Spiel, die ausholende Geste, die auch auf dem zweiten Theaterrang oben unterm Dach noch wahrgenommen werden kann. Die Kamera aber steht in Reichweite und verlangt von den Thespisjüngern subtileres Agieren, weil sie übertriebenes Chargieren naturgemäß potenziert. In der Praxis führt das zu Sätzen wie: „Höfels muss sich mit knappsten mimischem Proviant von einer Verdächtigten- [sic!] in eine Art Ersatz-Polizistinnen-Rolle hineinzwingen (…)“ Der Anwurf gilt der Schauspielerin Alwara Höfels, die in besagtem Fernsehkrimi dem Wesen einer frisch verwitweten, finanziell schlecht gestellten Mutter mit autistischem Kind sehr angemessen Ausdruck verlieh. Wer von Schauspielern Gesichtsakrobatik erwartet, sollte sich eine Saisonkarte für eine Freilichtbühne gönnen.
Einmal stieß im Rund eines Gremiums des Grimme-Preises ein Fernsehfilm auf bestenfalls verhaltenes Interesse. Eine Dame aber warf sich für die Einreichung in die Bresche mit der Begründung, der Hauptdarsteller feiere gerade in Berlin große Erfolge auf der Bühne. Deshalb sollte er nun also mit einem Fernsehpreis geehrt werden. Warum maßen sich solche Menschen an, über komplexe Künste wie Film und Fernsehen zu urteilen, die zu verstehen andere ein ganzes Hochschulstudium absolvieren? Umgekehrt lassen ja Fernsehkritiker auch das Theater unbehelligt. Sie haben mit ihrem eigenen Sujet genug zu tun.
Unkenntnis über die Aufgaben beim Dreh gebar einen verdrehten Stil, das Feuilletonesisch. „Unter der Regie von Anna Justice standen in weiteren Rollen (…) vor der Kamera von Matthias Neumann.“
Ähnlich zwei Beispiele, stellvertretend für viele aus der „F.A.Z.“: „So erstarrt, wie Tanja Schleiff die abermals traumatisierte Frau spielt, deren Eltern in ihrem Beisein ermordet wurden, agiert die Kamera von Wolfgang Wiesweg.“
„Andererseits wirkt die Bildsprache jetzt konziser, weil die Kamera von Andreas Doub sich konsequent anschleicht (…).“ Sind Matthias Neumann, Wolfgang Wiesweg und Andreas Doub
die Eigentümer der Kameras, haben sie sie für die Dreharbeiten leihweise zur Verfügung gestellt? I wo. Den beiden oblag die fotografische Bildgestaltung, in der Filmkunst die wichtigste Tätigkeit. Und ist die Kamera von einem bösen Geist besessen, dass sie sich mit konziser Wirkung konsequent anschleicht?
Eine gute Darstellerleistung kann durch eine schlechte Kameraführung zunichte gemacht werden. Umgekehrt kann ein guter Kameramann einer schlechten schauspielerischen Darbietung mit etwas Geschick und im Zusammenspiel mit dem Schnittmeister eventuell noch aufhelfen. Ava Gardner arbeitete nur mit Kameraleuten, von denen sie wusste, dass sie unter deren Lichtführung gut aussehen würde. Josef von Sternberg und seine Kameraleute verwendeten viel Zeit, um sicherzustellen, dass ein zarter Schatten unter Marlene Dietrichs Jochbein lag.
Warum ist es der feuilletonistischen Filmkritik nicht möglich, diesen angesehenen Berufsstand beim Namen zu nennen: Kameramann/Kamerafrau oder auch Bildgestalter/Bildgestalterin. Es hilft schon weiter, sich einfach mal Vor- und Nachspann anzuschauen.
Sprachhemmungen gibt es auch beim ehrenwerten Beruf des Drehbuchautors und der -autorin: „Auch gibt ihr das Drehbuch von Zora Holtfreter überraschende Sätze an die Hand.“ Gespenstisch – Drehbücher, die Dinge anreichen können … Und was macht man mit Sätzen in der Hand? Sollten sie nicht eher dem Munde entfleuchen? In der Praxis war es die Autorin Zora Holtfreter, unter dem Namen Zora Holt bekannt als Schauspielerin, die „überraschende Sätze“ ins Drehbuch schrieb und der Darstellerin zur Interpretation überließ.
An dem nachfolgend besprochenen Film waren offenbar gar keine menschlichen Wesen mehr beteiligt: „Buch und Regie verzichten jedoch darauf, die Geschichte fortan als Krimi zu erzählen.“ Ist es schon so weit gekommen mit der künstlichen Intelligenz?
Der Filmschnitt findet in Kritiktexten dieser Art so gut wie keine Beachtung, ist aber ebenfalls wesentlich für die Ästhetik und Wirkung sowohl filmischer Erzählungen wie auch der dokumentarischen Formen.
Zu bestem Feuilletonesisch inspirierte auch der Blick auf einen „… Krimi der ARD aus Dresden, wo Gorniak und Winkler, Karin Hanczewski und Cornelia Gröschel, im Vorspann zu Gorniaks Geburtstagsfeier aufbrechen.“ Ein feierwütiges Frauenquartett? Mitnichten. Hier werden Rollen- und Schauspielerinnennamen aufs Verwirrendste gereiht. Weniger gestelzt und üblich, weil lesefreundlicher wäre: Gorniak (Karin Hanczewski) und Winkler (Cornelia Gröschel). Die beschriebene Szene ereignete sich übrigens auch nicht wie behauptet im „Vorspann“ – das ist der Teil mit den vielen Namen –, sondern im Rahmen der Exposition.
Von all den bunten Fernsehbildern wohl vollends verwirrt berichtet der Berliner „Tagesspiegel“: „Den Film wie diesen hier kümmert Kunst nur, wenn sie Anlass für Verfolgungsjagden in Archiven gestattet.“
Immerhin erhält die Leserschaft mit solchen Sätzen ein deutliches Signal. Verrutscht der Jargon tief ins Feuilletonesische, empfiehlt es sich, schnellstens weiterzublättern eingedenk Harry Frankfurts klugen Worten: „Unsinn ist ein größerer Feind der Wahrheit, als es Lügen sind.“
Am Ende steckt der Kokolores gar noch an.

Die Heldinnen der Heimatfront

Die ARD hat für den Spartensender One eine britische Serie mit origineller Exposition erworben. Der titelgebende „Bletchley Circle” besteht aus Frauen, die während des II. Weltkriegs in Bletchley deutsche Militärcodes dechiffrierten und damit die Nazis besiegen halfen. Reale Zahl: Dort arbeiteten 8.000 Frauen und 2.000 Männer.

Die Serie, im Herkunftsland von ITV in Auftrag gegeben, spielt in den 1950ern, und die vier Heldinnen nutzen ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten, um Kriminalfälle zu lösen. Rückblenden in die Kriegstage gibt es auch. Jeweils zwei Folgen bilden eine zusammenhängende Geschichte.


Die Serie ist dabei nicht nostalgisch verträumt, sondern spricht häufig auch die Benachteiligungen an, denen Frauen, zumal wenn sie unteren Gesellschaftsmilieus entstammten, zu dieser Zeit ausgesetzt waren.
Die Serie ist online abrufbar unter https://www.ardmediathek.de/sendung/the-bletchley-circle/staffel-1/Y3JpZDovL3dkci5kZS9vbmUvdGhlYmxldGNobGV5Y2lyY2xl/1

Ende des Jugendwahns

RTL meldet, dass Günther Jauch, Jahrgang 1956, die Moderation der Sendung „Menschen, Bilder, Emotionen“ nach 26 Jahren beendet. Sein Nachfolger wird ein gewisser Thomas Gottschalk, Jahrgang 1950.

Ermutigend für alle, die auf die 60 zugehen …

Emily Cox als aufgehender Volksmusik-Stern Jana. Foto: Degeto/Das Erste

Wer es gewitzt und makaber mag, wird sich rasch anfreunden mit dem siebten Steirerkrimi namens „Steirerstern“, der in die Musikbranche führt. Im ländlich gelegenen Tonstudio Soundjack treffen Welten aufeinander. Das Volksmusiktrio Jana & die Lausbuam nimmt hier auf, die freie Studiozeit wird von der Indie-Pop-Band Talking Hearts genutzt. Bis zur Tatnacht ein Frauenquartett. Jetzt ist die Sängerin und Gitarristin Alex Dorner (Anna Friedberg) verstorben. Eine Kohlenmonoxidvergiftung, die angesichts des offenbar fahrlässig bedienten Kohleofens beinahe als Unfall durchgegangen wäre. Aber Kriminaltechniker Bernd Kofler (Christoph Kohlbacher) vom LKA Graz ist zu clever für den Täter. Er entdeckt schnell, dass der Abluftkanal verstopft wurde.

Anna Friedberg ist auch im realen Leben Musikerin, der Stil der fiktiven Band im Film ist ihrem nicht unähnlich: https://www.youtube.com/watch?v=bwhdAMm4REg

Heute um 20:15 Uhr im Ersten und natürlich auch in der ARD-Mediathek.

Kommt Blaublut von blau machen?

Die Trauerfeierlichkeiten für Queen Elisabeth II. waren ein Schauspiel nach allen Regeln der Kunst. Mit Hauptdarstellern, Statisten, Kostümen, Kulissen, Musik, Spezialeffekten. Eigentlich bin ich seit je Antimonarchist, ausgehend von der Vorstellung, dass die Mittel zur Finanzierung von Pomp und Umständlichkeiten anderweitig besser investiert wären. Denn die Aufführungen des Adels verlangen Garderobieren, Schneider, Fahrer, Mechaniker, Sicherheitsleute, Hausverwalter, Gärtner, Buchhalter, Pferdepfleger, Haushaltshilfen …
Wenn man nun aber bedenkt, dass jede Giftschleuder und jede Finanzgaunerei mit dem Arbeitsplatzargument durchgeboxt wird, erscheinen diese Beschäftigungsmaßnahmen vergleichsweise pfleglich. Außerdem befördern die Windsors den Tourismus, und der jetzige König vergab über seine Stiftungen Kredite an Firmengründer, die von den Banken abgewiesen worden waren. Vielleicht sollten kompetente Menschen die Sache mal durchrechnen. Wie sähe eine volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Bilanz aus? Oder gibt es so was schon?
Am Rande der Sargtournee konnte man erfahren, dass ein Angestellter mehrmals jährlich die Räder der Staffette dreht, mit der das Erdmöbel verstorbener Monarchen durch die Straßen chauffiert wird, damit die Karosse im Falle eines womöglich unerwartet eintretenden Falles verlässlich funktioniert. Und es gibt den Piper to the Sovereign, der jeden Morgen zur selben Zeit unter dem Fenster des amtierenden Blaubluts eine volle Viertelstunde lang unnachsichtig den Dudelsack entlüftet und Ihre Majestät zur Arbeit ruft.
Nichts gegen Dudelsäcke, aber im Morgengrauen, ohne Rücksicht auf Unpässlichkeiten, Brummschädel, Schlafbedürfnis …
Not my cup of tea.

Ein schickes kleines Ding im Spätprogramm

In der neuen ZDF-Unterhaltungsreihe „Music Impossible – Mein Song, Dein Sound“ wagen sich bekannte Musikinterpreten auf ungewohntes Terrain.

Frankfurt – Ein Wort vorweg: Mit sofortiger Wirkung sollten alle Wortspiele und Wortspielversuche mit dem Titel der Sechziger-Jahr-Kultserie „Mission: Impossible“ kategorisch verboten werden. Ein für allemal. Bei Strafe.

Der dusselige Titel ist so ziemlich das Schlechteste an der neuen ZDF-Unterhaltungsreihe „Music Impossible – Mein Song, Dein Sound“. Neben dem elenden Sendeplatz am Freitag um 23:30 Uhr. Denn auch Lineargucker könnten sich bei diesem Angebot sehr wohl gut unterhalten fühlen.

Bitte hier weiterlesen: https://www.fr.de/kultur/tv-kino/music-impossible-mein-song-dein-sound-zdf-spannender-seitenwechsel-tv-kritik-91763560.html