Eine schamlose Politshow im Geiste des Reality-TV

Der Publicitystunt hat hervorragend geklappt. Auch in vielen deutschen Zeitungen findet man das Foto, das den US-Präsidenten Donald Trump mit erhobener Bibel vor einer verrammelten Kirche zeigt. Nicht immer wird der Veröffentlichung die Vorgeschichte hinzugefügt. Trump hatte zuvor im Rosengarten des Weißen Hauses eine martialische Rede gehalten und am Ende angekündigt, er werde jetzt einen bedeutsamen Ort aufsuchen und ihm Respekt zollen. Gemeint war die St. John’s Church, die knapp hundert Meter vom Weißen Haus entfernt liegt und in deren Keller es am Vorabend zu einem Feuer gekommen war, das schnell gelöscht werden konnte. Zwischen dem Präsidentensitz und der Kirche liegt die Grünanlage Lafayette Square. Dort hatten sich am Montagabend friedliche Demonstranten versammelt, um gegen Rassismus zu protestieren und eine Bestrafung der Polizisten zu fordern, die am Tod des Schwarzen George Floyd beteiligt gewesen waren.

Um sich vor der St. John’s Church in Pose werfen zu können, ließ Trump den Lafayette Park und die umliegenden Straßen räumen und setzte dazu unter anderem militärische Polizeikräfte und berittene Polizisten ein. CNN war live dabei, Reporter standen nahe der Polizeilinie zwischen den Demonstranten und auf dem Dach eines gegenüber liegenden Gebäudes. Viele Zeitungen äußern sich vorsichtig, so die „Süddeutsche Zeitung“, derzufolge Trump „angeblich“ Soldaten in die Hauptstadt geholt habe. Es gibt gar keinen Zweifel: auf den Schutzschilden der Polizisten stand weithin lesbar „Military Police“ zu lesen. Und Militärpolizisten sind Soldaten. Die sowie Angehörige des Secret Service und der regulären Polizeikräfte gingen mit Tränengasgranaten, Gummigeschossen und Knüppeln gegen die Demonstranten vor. Nur um einem publicitysüchtigen Präsidenten den Weg freizuschaufeln.

Ein CNN-Kommentator fand die richtigen Worte: Es war eine inszenierte Show eines am Reality TV – Trump war die zentrale Figur der US-Ausgabe von „The Apprentice“ und besaß die „Miss Universe Organization“ mit ihren Ablegern „Miss USA“ und „Miss Teen USA“ – geschulten Politikers, dem jeglicher Instinkt fehlt, eine explosive Situation zu entschärfen, der stattdessen die Eskalation in Kauf nimmt, um sich als Law-and-Order-Präsident in Szene zu setzen. Speziell für das Publikum der Reality-Sparte. Für die „bottom feeders of society“ (zit. n. Michael Kranish, Marc Fisher: Trump Revealed, New York 2016), wie Trump diesen Personenkreis vor seinem Eintritt in die Politik verächtlich zu nennen beliebte.