Die Crème de la Crème des französischen Kinos

Ich bin unrettbar anglophil, aber weltoffen. Auch französische Fernsehserien bekommen bei mir eine Chance. Und da gibt es so manchen Glückstreffer. ARD One zeigt gerade linear und online die französische Produktion „Call My Agent!“ („Dix pour Cent“). Dahinter steckt als einer von mehreren der vielseitig begabte Dominique Besnehard, der selbst lange Zeit als Agent tätig war und hier Einblick in die von Neurosen und Eitelkeiten beherrschte Branche gewährt und en passant noch Nebenrollen spielt (Plural, doch).

Das ist ziemlich unterhaltsam und wurde mit recht mehrfach prämiert. Krönung des Ganzen sind die Gastauftritte – die Crème de la Crème des französischen Kinos ist vertreten, Isabelle Adjani, Juliette Binoche, Patrice Luchini, Françoise Fabian, Christophe Lambert, Monica Bellucci, Guy Marchand, Nathalie Baye und ihre Tochter Laura Smet, Cécile de France, Regisseur Claude Lelouch und viele mehr, meist in selbstironischen, frivolen Rollen. Zu den Episodenregisseuren zählt Cédric Klapisch („L’auberge Espagnole“). Ergo: Für Freunde des französischen Filmschaffens unverzichtbar. Linear donnerstags, online wahlweise deutsch synchronisiert oder auf französisch, und zwar hier: https://www.ardmediathek.de/one/shows/Y3JpZDovL3dkci5kZS9vbmUvY2FsbG15YWdlbnQ/call-my-agent

Verbrecher jagen, wo andere Urlaub machen

ZDFneo-Serie "The Mallorca-Files"

Foto: obs/ZDFneo/Giacomo Neri

In internationaler Koproduktion entstand auf den Balearen eine unterhaltsame Krimiserie mit einem britisch-deutschen Ermittlerteam.

Wenn in diesen Tagen Menschen gefragt werden, was sie mit der Corona-bedingt gewonnenen Freizeit anfangen, lautet die Antwort nicht selten: Sie werden sich ein „gutes Buch“ vornehmen. Was die Frage aufwirft, wer all die schlechten Bücher kauft, die jährlich auf den Markt gelangen …

Zum „guten Buch“ gesellt sich die „gute Serie“, wenngleich die Marktforschung bekanntlich eine andere Sprache spricht. Manch hochgelobte Qualitätsserie findet erheblich weniger Zuschauer als viele Routineproduktionen. Selbst Netflix versorgt seine Abonnenten mit deutscher Serienware öffentlich-rechtlicher Herkunft und hat unter anderem „Hubert und Staller“, „Charité“, „Mord mit Aussicht“, „Dr. Klein“, „Türkisch für Anfänger“ im Programm.

The Mallorca Files“ ist schon mal keine jener Serien, mit der sich ein Prestigegewinn erzielen ließe. Aber sie garantiert fünfundvierzig unterhaltsame Minuten. Für die Produktion hat sich ZDFneo mit der britischen BBC und France TV zusammengetan, wobei das Konzept – nicht unerwartet – von den britischen Partnern, namentlich von dem Serienspezialisten Dan Sefton, beigesteuert wurde. Auf britischer Seite war die Serie von vornherein für das Nachmittagsprogramm bestimmt, was selbstredend allzu verstörende Inhalte ausschließt.

Hinterhalt am Flughafen

Die erste Szene etabliert hübsch anschaulich die spielerische Machart der Serie. Ein Mann und eine Frau auf dem Rücksitz einer Limousine. Er schaut gelangweilt aus dem Fenster in die mediterrane Umgebung, sie konzentriert in ihr E-Book. Als er die Hand hebt, erkennt man, dass die beiden mit Handschellen aneinander gefesselt sind. Miranda Blake (Ellen Rhys) soll den Kronzeugen Niall Taylor (Aidan McArdle) heim ins Königreich eskortieren. Am Flughafen lauern schon ein paar bedrohliche Sonnenbrillenträger, was der cleveren Blake nicht entgeht. Sie versucht den Strolchen zu entgehen, schleift Taylor förmlich hinter sich her. Die Verstärkung rückt an. Auch der zufällig anwesende deutsche Zivilpolizist Max Winter (Julian Looman) greift ein. Hilft aber alles nichts. Taylor wird vor ihren Augen erschossen. Immerhin kann Winter in letzter Sekunde Blakes Leben retten.

Sturkopf trifft Sonnyboy

Superintendent Abbey Palmer, die Chefin daheim (Tanya Moodie, 2019 auch ins Ensemble von „Star Wars: Episode IX – Der Aufstieg Skywalkers“ berufen), beordert Blake nach Hause. Die hält nichts von unaufgeräumten Zuständen, nimmt kurzerhand Urlaub und macht sich auf die Suche nach den Mördern. Von ihrem Urlaubsstatus verrät sie natürlich nichts, als sie sich bei der mallorquinischen Polizeichefin Inés Villegas (María Fernández Ache) um Unterstützung bemüht und Max Winter zugeteilt bekommt. Der war ursprünglich als Verbindungsbeamter, so etwas gibt es in der Realität, auf der spanischen Insel tätig und ist geblieben.

Der jedes Klischee deutscher Pflichtversessenheit aushebelnde charmante Sonnyboy pflegt einen unbekümmerten Lebensstil, derweil die britische Kollegin deutlich zur Verbissenheit neigt. Weshalb daheim schon niemand mehr mit ihr arbeiten möchte. Abbey Palmer ist dann auch ganz froh, dass sie die ungeliebte Mitarbeiterin an die Policia Nacional abgeben kann.

Denn Blake und Winter werden vorerst zehn Folgen lang Seite an Seite ermitteln. Eine weitere Staffel ist bereits in Arbeit. Der verantwortliche Produzent Dan Sefton hat sich laut eigener Aussage bei der Ausgestaltung der Hauptrollen am US-Serienklassiker „Das Modell und der Schnüffler“ orientiert, mit dem Bruce Willis zum Star wurde. Nicht das schlechteste Vorbild, wobei dessen postmoderne Ironisierung inklusive Durchbrechen der vierten Wand in „The Mallorca Files“ keinen Eingang gefunden hat. Auch hier aber sorgen wechselseitige Uzereien und Lästereien für hohen Unterhaltungswert. In der zweiten Folge treten Blake und Winter sogar sportlich gegeneinander an.

Der Groove stimmt

Die Kriminalfälle verlangen bisweilen ein wenig Toleranz in puncto Logik, werden aber mitsamt dem Drumherum ausgesprochen stilvoll präsentiert. Der Filmkomponist Charlie Mole – die Vokalparts übernahm die stimmgewaltige Soul-Jazz-Sängerin Anna Ross – unterlegt das Geschehen mit einem groovenden Funk-Jazz-Teppich mit Sechziger-Jahre-Flair und gelegentlichem Latin-Einschlag. Nicht das einzige Element in dieser Serie, das an die ebenfalls von der BBC stammende, höchst vergnügliche Gaunerserie „Hustle – Unehrlich währt am längsten“ erinnert. Anders als bei „Hustle“ – was viele Fans sehr bedauerten – gibt es den Soundtrack zu „The Mallorca Files“ auch zu kaufen.

Erwähnenswert noch, dass hier bis hin zum Hintergrundgeschehen sehr sorgfältig inszeniert wurde. Und natürlich wenden die Kameraleute die Objektive nicht ab, wenn Mallorcas Sehenswürdigkeiten oder seine sonnengetränkten Landschaften ins Bild gerückt werden können. „The Mallorca Files“ ist eine dieser nonchalant erzählten Serien, mit denen ZDFneo den Krimisendeplatz am Freitagabend bestückt. Entspannendes Feierabendfernsehen, das, vor allem in dieser handwerklichen Qualität, neben den gewichtigeren Produktionen auch seine Berechtigung hat.

The Mallorca Files“, ab Freitag, 17.4., 22:00 Uhr in Doppelfolgen, ZDFneo, und ab 10:00 Uhr in der ZDF-Mediathek.

Leben am Ende der Sackgasse

Der dritte Film der ZDF-Arte-Krimireihe „In Wahrheit“ führt Kommissarin Judith Mohn zurück in ihre graue Heimat.

Zu Beginn wird die Zuschauerschaft per Lufttransport an den Ort des Geschehens geführt. In gleitendem Flug geht es über dichte Wipfel. Die Kamerafliegerei war einst eine optische Attraktion. Mittlerweile tritt sie inflationär auf, seit Filmkameras per Drohne in die Lüfte getragen werden können. Dies geschieht längst auch im Hobbybereich, weshalb die Luftaufnahme den Charakter des Besonderen verloren hat, fast schon gewöhnlich geworden ist.

Regisseur Miguel Alexandre aber, der selbst die Kamera führte, setzt die Kein-schöner-Land-Ästhetik im nächsten Moment gleich außer Kraft. Das Waldidyll endet jäh an einer steilen Klippe. Fast eine Metapher. Ein Menetekel. Unten ein See, still zwar, aber eher beunruhigend als einladend. Ein abrupter Schnitt, ein scharfer Kontrast. Unter der Wasseroberfläche eine Hand, ein Arm – und der Kopf einer treibenden Leiche.

Ein straffer Beginn, aber nichts wird übereilt. Noch kommt nicht die Polizei ins Spiel. Eine Frau (Bernadette Heerwagen) läuft durch die Straßen einer tristen Bergarbeitersiedlung, ist verzweifelt auf der Suche nach ihrem Sohn Marlon (Yannick Eilers).

Weiter geht’s, weitgehend Spoiler-frei, unter https://www.fr.de/kultur/tv-kino/tv-kritik-wahrheit-still-ruht-see-leben-ende-sackgasse-13639138.html