Sonderbare Zugabe

Das Programm des Spartenkanals ZDFneo findet, man muss es gar nicht mehr eigens herausstellen, vor sehr kleinem Publikum statt. Was manchmal zu bedauern, aber nicht zuletzt den technischen Bedingungen geschuldet ist.

Damit sollten die hauseigenen Mitarbeiter doch eigentlich keine Probleme haben. Trotzdem gibt es offenbar Momente, in denen selbst vom ZDF keiner mehr zuguckt. Zu merken daran, dass die letzte, wie immer sehr sehenswerte Episode von „Weeds“ nicht an der vorgesehenen Stelle ausgeblendet wurde. So ging dann noch das für sendereigene Zwecke angefügte Kennzeichnungs- und Schnittmaterial durch die Kanäle. Nebst etlichen Sekunden Schwarzfilm. Siehe unten.

Für die schlechte technische Qualität der Abbildungen muss sich nicht der Betreiber dieses Blogs, sondern das ZDF entschuldigen. Das ist die Qualität, in der man DVBT empfängt. Wer ein besseres Bild will, muss halt zahlen. So entsteht nach und nach auch im medialen Bereich eine Zweiklassengesellschaft.

 

Mangels Deutschkenntnissen aus der Staatsbürgerschaft entlassen

Vor Alarmismus muss man sich hüten, aber Nachdenklichkeit scheint das Gebot der Stunde, wenn man diese Dinge liest, die ja keine Einzelerscheinung darstellen. Man denkt angesichts öffentlicher Äußerungen wie der unten eingerückten beispielsweise darüber nach, wo eigentlich der Tatbestand der Volksverhetzung anfängt. Als bestallter Journalist würde man der Frage vielleicht einmal intensiver nachgehen. Ist man aber nicht. Nur ein kleiner Hobbydokumentar aus dem Hartz-Vierland.

Aber so ernst die Sache auch ist – es reizt ja doch zum Lachen, dass die Deutschtümler und Kulturleitesel den Deutschgrundkurs, zu dem sie ausländische Mitbürger so gern abkommandieren würden, selbst am nötigsten haben. Ach, wenn man ihnen, allein um der Reinhaltung der deutschen Sprache willen, die Staatsbürgerschaft aberkennen und sie einfach so bei Nacht und Nebel abschieben dürfte. Nur – wohin? Ins Land der Sarrazinen? Im Sinne von „Deutschland schafft sich ab“? Da hülfe man doch gern.

Achtung, Zitat:

„Die Angst vor Terrorangriffen ist in Deutschland angekommen. ‚Al-Qaida soll Anschlag auf Reichstagsgebäude planen‘ meldete gestern Welt-Online. Zwei Attentäter seien bereits eingereist. Das ist das Problem: Attentäter mit deutschem Pass, vernünftigen Zukunftsperspektive, aber intelligent und diszipliniert. Man kann sie nicht ausweisen, da sie einen deutschen Pass haben. Zahlen wir jetzt den Preis für die konzeptionslose Einwanderungspolitik der letzten Jahre? Durch Zuwanderung die Einwohnerzahl halten, egal woher, egal mit welchem Hintergrund. Jetzt wollen diese Menschen in den Ländern, aus denen ihre Familien einst herkamen den Lebensstandart wie wir ihn hier haben.“ [sic!]

N. Fuhs in der Osnabrücker Sonntagszeitung, Nr. 47, 21. November 2010, S. 13

 

 

„Ich mache die Sachen, die mir Spaß bereiten“

Ein Gespräch mit dem Moderator, Autor und DJ Markus Kavka über Geschlechterrollen, Gefängnisnächte und Gesprächssendungen

 

Markus Kavka: Guten Tag, Markus Kavka am Apparat.

Guten Tag, Herr Kavka. Sie sind momentan auf dem Bildschirm sehr präsent: mit der zweiten Staffel von „Number One!“ bei Kabel 1 und bei 3sat mit der Reihe „Frau Kuttner und Herr Kavka“, in der sie gemeinsam mit Sarah Kuttner Geschlechterklischees untersuchen. Wie ist diese Idee entstanden?

Kavka: Ich glaube, der Ursprung von allem war, dass eine Freundin von uns, die eine Produktionsfirma hat, irgendwann mal ganz lose mit der Idee um die Ecke kam. Sie hat zuerst Sarah gefragt. Dann brauchten sie noch einen Mann, und es war sofort klar, dass ich das bin, weil Sarah und ich ja schon sehr lange befreundet sind und dennoch noch nie zusammen eine Sendung moderiert haben. Das ist jetzt das erste gemeinsame Projekt.

Würden Sie sagen, diese enge Bekanntschaft war Voraussetzung für dieses Sendekonzept?

Kavka: Es war eine ganz gute Grundlage dafür. Weil wir ja beide ganz gut voneinander wissen, wie wir ticken. Als wir die ersten Stoffsammlungen für die Sendung gemacht haben, und auch, als es darum ging, wie wir das alles umsetzen, haben wir von Anfang an am gleichen Strang gezogen. Wobei man ja auch sagen muss, dass wir nur für die Moderationen vor und nach den Filmen überhaupt zusammen vor der Kamera waren. Ansonsten hat ja jeder eigenständig, unabhängig von dem anderen, seine Aufgaben erfüllt.

Wäre es nicht vielleicht ergiebiger gewesen, wenn Sie die Klischees auf den Kopf gestellt hätten? Nach dem Motto „Herr Kavka lernt strippen“ und „Frau Kuttner spielt Cowgirl“?

Kavka: Wir haben uns tatsächlich überlegt, ob wir das machen sollen, aber das erschien uns dann ein bisschen zu sehr übers Knie gebrochen. Es geht gar nicht darum, diese Klischees oder Erwartungshaltungen gegenüber Mann und Frau wissenschaftlich zu untersuchen. Sondern eher darum: Wie machen wir das, wir als Persönlichkeiten? Ich bin zum Beispiel in den Knast gegangen und zur Feuerwehr, was mir freiwillig nicht eingefallen wäre. Wir wollten beide auch ein paar Abenteuer erleben. Wobei Sarah immer ein bisschen beleidigt ist, weil die Sachen, die ich als Typ machen durfte, deutlich spektakulärer waren. (lacht)

Auch deswegen kam der Gedanke auf, ob man die Aufgaben nicht besser umgekehrt verteilt hätte.

Kavka: Ja, da hätte ich mich dann aber dagegen verwehrt, weil ich das langweilig gefunden hätte, wenn ich die Sachen von Sarah hätte machen müssen. (lacht)

Ich war etwas überrascht von der Mitteilung, dass ein Mann mal im Knast gewesen sein muss. Ist das bei euch in Bayern so?

Kavka: (lacht) Tatsächlich kam es da öfter vor. Aber dann bezieht sich das natürlich in erster Linie auf die leicht romantisierte Vorstellung davon, dass man erst so ein bisschen ‚bad boy’ war und dann in der Ausnüchterungszelle landet. Das war natürlich in dem Fall nicht möglich, dass ich mir erst einen ansaufe und jemandem aufs Maul haue. Ich musste schon ganz offiziell in einer JVA einchecken. Trotzdem, so unterm Strich – man wird eingesperrt und für kurze Zeit seiner Freiheit beraubt. Und tatsächlich war es so, obwohl ich ja wusste, dass ich am nächsten Morgen wieder hinausdarf, dass ich dieses Beklommenheitsgefühl phasenweise nicht mehr los wurde. Das war keine schöne Nacht, in der ich auch kein Auge zugemacht habe, und das war ein Dreh, der mich nachhaltig ziemlich berührt hat, weil ich vor dem Einschluss die Möglichkeit hatte, mit den Mithäftlingen mich zu unterhalten, und da hat man halt mal wieder gesehen, jeder hat so seine eigene, mitunter tragische Geschichte.

Die Begegnung mit den Mitgefangenen ist im Film ja nicht enthalten. Lag das am Persönlichkeitsschutz oder hatte das andere Gründe?

Kavka: Es hat zwei Gründe: Zum einen wurden da ein paar delikate Äußerungen getan, was den Umlauf von Drogen und Handys im Knast betrifft. Zum anderen war es so, dass es den Rahmen des Films gesprengt hätte. Wenn wir sagen, Markus Kavka probiert mal aus, wie eine Nacht im Knast ist, und dann aber das Ganze unterschnitten wird durch Interviews mit Mitgefangenen, dann hätte es den roten Faden verloren. Die interessantesten Gespräche, die ich hatte, wurden auch nicht gefilmt. Das war halt so, als ich dann von einer Zelle in die andere ging. Jeder wollte mir seine Zelle zeigen und sich ein bisschen mit mir unterhalten. Da war es mir auch wichtig, dass die Kamera nicht immer dabei ist.

Lag Ihre im Film gezeigte Schlaflosigkeit daran, dass Sie die Erzählungen der Mitgefangenen sozusagen als seelisches Gepäck mitgenommen haben oder eher an der beklemmenden Situation?

Es war tatsächlich das Beklommenheitsgefühl. Ich habe in der Nacht vorher extra wenig geschlafen, nur so zwei oder drei Stunden, um wirklich auch müde zu sein am Abend des nächsten Tages. Das hat aber nichts geholfen. Wenn man in dieser Zelle sitzt, dann umgibt einen ja eine ganz spezielle Aura. Abgesehen davon ist das Bett wirklich wahnsinnig ungemütlich. Ich habe dann mal das Licht ausgemacht und versucht zu schlafen – aber da hat sofort der Kopfkasper angefangen, und ich habe mir alles mögliche ausgemalt. Da kommt man gedanklich vom Hundertsten ins Tausendste. Ich habe dann so diese Einzelschicksale noch mal reflektiert und auch so ein paar Sachen, die mir der Vollzugsbeamte erzählt hat. Es sind ja Leute einfach mal für ein Jahr im Gefängnis, weil sie ihre Strafzettel oder Schulden nicht gezahlt haben. Es geht schneller als man denkt. Und ich bin jetzt einmal mehr zu der Überzeugung gelangt, dass es nicht erstrebenswert ist, mal im Gefängnis zu sein.

Wie war dann der anschließende Tag? Konnten Sie schlafen, oder haben Sie das noch weiter mit sich herumgetragen?

Kavka: Ich habe das tatsächlich noch ein paar Tage mit mir herumgetragen. Auch heute noch, wenn ich darüber spreche, berührt mich das noch immer nachhaltig, obwohl der Dreh schon im Juni war. Weil so viele Informationen auf mich eingeprasselt sind, und weil man vieles von dem gar nicht weiß, wenn man sich nicht mit Betroffenen unterhalten hat. Insofern ist es ein bisschen schade, dass nicht das komplette Paket im Film zu sehen ist. Aber da, glaube ich, wäre man selbst mit einer einstündigen Reportage noch in einer Situation, in der man eben nicht alles erzählen kann.

Wäre das eine Option für Sie, so ein Projekt anzugehen?

Kavka: Ja. Ich habe bis jetzt immer im weitesten Sinne die Bereiche Musik und Gesellschaft beackert.  So gesehen war das Ganze für mich eine neue Erfahrung, und ich habe gemerkt, ich mag das Sprechen mit Leuten, mit denen man sonst nichts zu tun hat – egal ob das jetzt Gefängnisinsassen, ‚urban cowboys’ oder Feuerwehrmänner sind. Ich bin per se ein sehr, sehr neugieriger Mensch, und gerade, wenn ich mich in Bereiche einarbeite, mit denen ich bis dato gar nichts zu tun hatte, dann hält mich das auf Trab. Das macht mir Spaß. Ich weiß nicht, was da noch kommt, ob 3sat ähnliche Projekte mit mir oder uns beiden vorhat, aber es war auf jeden Fall jetzt mal ein ganz netter Einstieg in für mich artfremdes Fernsehen.

Können Sie sich vorstellen, solche Themen im Gespräch zu erschließen, sprich als Gastgeber einer Talkshow zu fungieren?

Kavka: Hmmm – tatsächlich haben Sarah Kuttner und ich schon seit ein paar Jahren ein Konzept für eine Talkshow in der Schublade, die wir beide gerne machen würden. Das kommt auch daher, weil wir selbst regelmäßig zu Gast in Talkshows sind. Ein paar Auftritte haben großen Spaß gemacht und die hatten auch etwas Gehaltvolles. Bei anderen hatte man das Gefühl: Man wurde wegen einer aktuellen Sache eingeladen, einem Buch oder einer neuen Fernsehsendung, und dann wird halt im weitesten Sinne einfach abgefragt, was es dazu gibt. Natürlich freut sich jeder Talk-Gast, wenn er nicht gegrillt wird und sich verteidigen oder rechtfertigen muss. Aber ich glaube, für die Zuschauer wäre es manchmal nicht uninteressant, wenn in diesen Gesprächen auch andere Dinge besprochen werden würden als nur das, was man gemeinhin dann auch erwartet in so einer Situation.

Und wenn die Talk-Gäste auch untereinander ins Gespräch kommen …

Kavka: Ja, das wäre wünschenswert. Das passiert auch manchmal, und ich bin immer ganz glücklich darüber. Ich interessiere mich ja auch für die Leute, die da sind, aber oft schafft man es wegen dieser genau getimten Acht-Minuten-Blöcke gar nicht, ein Gespräch zu entwickeln. Was man halt generell beobachten kann in der deutschen Talkshow-Landschaft, ist, dass das schon sehr, sehr gesetzt ist, auch so ein bisschen älter, und teilweise in Richtung PR- und Erfüllungsjournalismus geht. Sarah und ich haben da durchaus Ambitionen, den Altersschnitt so zehn, zwanzig Jahre herunterzuschrauben. Es ist ein hehrer Ansatz, aber wir würden gerne mal versuchen, dieses Wohlfühl- und Betüdelklima, wie man es aus Talkshows kennt, ein bisschen aufzubrechen.

Vielleicht da wieder anzufangen, wo es einst mit „III nach neun“ mal begonnen hat?

Kavka: Ja, das wäre zum Beispiel ein Ansatz. Generell, wenn man sich Talkshow-Ausschnitte aus den 70ern und auch noch 80ern anguckt, dann stellt man schnell fest, dass da ein anderes, ein spannenderes Gesprächsklima vorherrschte. Solche Aussetzer, von Schlingensief bis Ton Steine Scherben, gibt es ja gar nicht mehr. Das würde sich keiner mehr trauen.

Stichwort Verjüngung des Publikums – wenn man sich die aktuelle Staffel Ihrer Porträtreihe „Number One!“, für deren journalistische Gestaltung Sie in diesem Jahr für den Grimme-Preis nominiert wurden, so anguckt, könnte man den Eindruck gewinnen, die Reihe richtetsich eher an etwas ältere Zuschauer …

Kavka: Jein, sage ich jetzt mal. Wir haben in der ersten Staffel schon versucht, diesen Spagat zwischen, sagen wir mal, Depeche Mode und Metallica auf der einen Seite und Phil Collins und den Bee Gees auf der anderen hinzubekommen. Jetzt haben wir Linkin Park und Fanta Vier für die Jüngeren, aber auch Rod Stewart und a-ha für die bisschen Älteren. Und Ozzy Osbourne, der für Jung und Alt gleichermaßen interessant ist. Die Zielsetzung bei „Number One!“ ist, dass man sich mit Künstlern auseinandersetzt, die sehr erfolgreich sind – und das nicht erst seit gestern. Wir haben natürlich gemerkt, dass nicht immer die selben Leute zuschauen, sondern dass das Publikum mal ein bisschen älter, mal ein bisschen jünger ist. Aber wir gehen eigentlich immer gleich an die Sache heran. Wir reden mit diesen Künstlern, die alle etwas Besonderes geschaffen haben, kommen auch ein bisschen als Fans und wollen deren Leben porträtieren. Und die haben ja alle tolle Geschichten, die sie uns erzählen können.

Sie haben Künstler schon unter den verschiedensten Bedingungen interviewt. In welcher Situation öffnen sich die Interviewten noch am ehesten?

Kavka: Das hängt sehr davon ab, wieviel Zeit man hat. Sobald ich genug Zeit hatte, habe ich egal wie oder wo immer ein vernünftiges Gespräch hinbekommen. Schwierig ist es, wenn man im Rahmen von so einem Promo-Abarbeitungsplan eine Viertelstunde oder zwanzig Minuten gewährt bekommt. Dann kann man nicht viel mehr machen als einfach nur ein paar Dinge abfragen und hoffen, dass man vernünftige O-Töne bekommt. Ab, sagen wir mal, einer Stunde kann sich ein normales Gespräch entwickeln. Und dann erfährt man auch Sachen, die man sonst halt nicht erfährt. Wobei es immer mitentscheidend ist, welchen Draht man zu dem Künstler an hat. Mir haben zum Beispiel 25 Minuten mit Bono vollkommen ausgereicht in der ersten Staffel, weil wir von Anfang an einen guten Draht zueinander hatten. Oder mit Martin Gore von Depeche Mode, da hatte ich auch nicht viel länger Zeit. Eine andere Situation ergab sich bei den 25 Minuten mit Jon Bon Jovi. Da hatte ich keinen rechten Draht. Den musste ich mir erst mühsam erarbeiten, und dann war das Interview auch schon wieder vorbei. Ich versuche, immer gleich an die Sache heranzugehen, immer gleich vorbereitet, habe auch immer das gleiche Ansinnen. Und das ist eben, den Menschen hinter dem Künstler kennen zu lernen. Und trotzdem muss ich sagen: Je mehr Zeit man mir da zur Verfügung stellt, umso mehr kommt dann auch dabei herum.

Hilft es, wenn man den Managern sagt, wir haben in der Primetime eine ganze Sendung nur für euch?

Kavka: Auf jeden Fall. Da gibt es durchaus Managements und Künstler, die sehr kooperativ sind. Die Scorpions zum Beispiel, jetzt in dieser Staffel, haben von sich aus angeboten, ja, dann begleitet uns doch 48 Stunden auf Schritt und Tritt mit der Kamera. Das ist natürlich super! Nicht nur, dass wir mit denen ein zwei Stunden langes Interview führen konnten, wir waren wirklich die ganze Zeit dabei. Und da hat man dann natürlich großartiges Material.

Ihre Anfänge als TV-Moderator lagen bei Viva und MTV. Nicht nur sie, auch andere bekannte Namen der früheren Musiksender erscheinen immer häufiger in den Vollprogramm- und Kulturkanälen. Mit leicht ironischem Unterton gefragt: Hat man seinerzeit bei Viva und MTV alles Nötige gelernt, um sich im Fernsehgeschäft zu behaupten?

Kavka: Na ja, wenn, dann als Autodidakt. Es war niemand da, der einem gesagt hätte: So funktioniert großes Fernsehen. Aber was natürlich nicht von der Hand zu weisen ist: Viva und MTV waren für alle Beteiligten eine großartige Möglichkeit, sich auszuprobieren, Sachen machen zu können, die einem in den Sinn kommen. Es gab da wenig bis gar keine Vorschriften, wie man sich vor einer Kamera zu verhalten hat, und deswegen hatte jeder eine prima Möglichkeit, seine eigene Persönlichkeit herauszubilden. Eigentlich kann man ja sagen, dass Viva und MTV als eine Art Talentschmiede für größere Fernsehkanäle funktioniert haben. Weil die für sich, also weder öffentlich-rechtliche noch private Fernsehsender, entsprechende Spielwiesen haben. Bei Viva und MTV konnten wir teilweise jahrelang senden, ohne dass irgendjemand gesagt hätte, pass mal auf, da gucken zu wenig Leute zu. Viele haben das Beste daraus gemacht und haben sich die Reputation verschafft, die dann die Basis für spätere Karrieren war.

Sie sind mittlerweile multimedial tätig, schreiben altmodisch noch Bücher, machen Fernsehen, aber auch Web-Produktionen wie „Kavka vs. The Web“. Ist diese Bandbreite aus beruflichen Gründen erforderlich, oder was steckt dahinter?

Kavka: Diese Unterscheidung ‚altes Medium’, ‚neues Medium’, die wird nur von außen getroffen. Für mich ist der Ansatz immer der gleiche. Ich habe schon, bevor ich im Fernsehen war, für Magazine geschrieben, ich habe dann später Kolumnen geschrieben, jetzt kommt im März der erste Roman. Das ist ein Buch. Bitteschön. Mache ich halt. Oder wenn es heißt, hast du nicht Bock, eine Sendung bei MySpace zu machen, dann nehme ich zur Kenntnis, dass das kein Fernsehen ist, sondern im Internet kommt. Aber was meine Vorbereitung betrifft und die grundsätzliche Herangehensweise an diese Aufgabe – das unterscheidet sich in keinster Weise. Also weder zwischen ZDF, was ich ja auch gemacht habe, und den privaten Sendern noch zwischen Internet und Fernsehen generell. Ich denke sowieso, dass es – mit Ausnahme des gedruckten Buchs – in absehbarer Zeit egal sein wird, aus welchem Abspielkanal das herauskommt. Weil irgendwo in der Wohnung ein Monitor stehen wird, aus dem dann das Internet und das Radio kommen und das normale Fernsehen und alles steuerbar über eine einzige Fernbedienung. Jetzt ist es natürlich so, dass man gemeinhin noch annimmt, Leute, die Online-Journalismus machen, verdienen weniger – ist wahrscheinlich auch noch so. Oder Internet-Produktionen kosten weniger – ist nicht so. Wir haben diese MySpace-Sendungen mit einem ganz normalen Fernsehbudget produziert, und das ist auch notwendig, damit es nicht pillepalle aussieht. Ich mache die Sachen, die mir Spaß bereiten, und ich freue mich sehr, wenn sich jemand darauf einlässt. Aber ob dieser jemand jetzt einen Internet-Kanal hat oder einen öffentlich-rechtlichen, macht für mich keinen Unterschied.

Ganz wichtig erscheint mir noch, Ihr Engagement gegen rechtsradikale Tendenzen zu erwähnen. Das reicht ja offenbar bis zurück in die Zeit vor der Medienkarriere?

Kavka: Ja. Das kam aufgrund von persönlichen Erfahrungen, die ich mit Rechten gemacht habe. Ich war Anfang, Mitte der 80er gothic, ein Gruftie, und von daher war es kaum zu vermeiden, dass man immer wieder mit Rechten aneinander geriet, die einen dann verdreschen wollten. Das hat sich fortgesetzt. Ich bin permanent auf Demos gegangen gegen Rechts und da auch in Scharmützel geraten. Auslöser, dass ich mich öffentlich gegen Rechts engagiere, war, dass vor ein paar Jahren ein guter Freund von mir – falsche Zeit, falscher Ort – in eine Gruppe von Neonazi-Schlägern geriet. Das war Ole Tillmann. Daraufhin haben wir beschlossen, den Umstand, dass wir in der Öffentlichkeit stehen, dahingehend zu nutzen, dass wir über Rechts informieren. Daraus ist die Web-Seite „Störungsmelder“ entstanden. Ich war erst letzte Woche wieder an einer Schule in Nürnberg, habe da einen Workshop über rechte Musik, über die Schulhof-CD von der NPD abgehalten, und wieder einmal festgestellt, wie wichtig das ist, an Schulen ergänzend zum Lehrangebot über Rechts zu informieren und junge Leute zu sensibilisieren. Gerade die Leute zwischen 15 und 18 Jahren – das ist das Gewässer, in dem die NPD fischt, um sich potenzielle Wähler heranzuziehen. Wenn man da früh genug ansetzt, das merke ich immer wieder, kann man ein paar Leute davor bewahren, auf Abwege zu kommen.

Forum für Ihre Stellungnahmen gegen Rechts ist die Web-Seite „Störungsmelder“. Sehen Sie die Möglichkeit, dieses Thema in andere Medienproduktionen – nehmen wir als aktuelles Beispiel die Reihe „Frau Kuttner und Herr Kavka“ – mit hereinzunehmen?

Kavka: Ich versuche das immer wieder im Kleinen. Ich mache das zusammen mit „Gesicht zeigen“, die auch ganz gut vernetzt sind. Aber man merkt schon, dass so ein Engagement, aus welchen Gründen auch immer, auf Plattformen ab einer gewissen Größenordnung nicht mehr stattfindet. Das ist vielen Leuten entweder zu heikel oder zu randgruppig. Deswegen habe ich mich schon damit abgefunden, dass viel von diesem Engagement bei mir auf privater Ebene funktionieren muss und dass ich mich nicht darauf verlassen kann, Unterstützung zu bekommen von irgendwelchen Medien oder auch von anderen Künstlern. Ich versuche permanent, für den „Störungsmelder“ auch andere Prominente als Autoren zu rekrutieren oder für die Schulbesuche. Ih merke da, wie ich auf ziemlich große Zurückhaltung stoße. Ich will mich darüber nicht beklagen. Ich weiß, das ist thematisch ziemlich unspaßig, was gegen Rechts zu machen, aber ich kann nur immer sagen, dass jeder, der sich dagegen engagiert und mir dabei helfen will, herzlich willkommen ist.

Abschließend noch einmal zur Musik. 2007 schrieben Sie in Ihrer Kolumne, dass Sie in jenem Jahr noch keine einzige Rock-Platte gefunden hatten, die sie richtig weggeblasen hätte. Haben Sie seither wieder was entdeckt, was Sie weiterempfehlen würden?

Kavka: Ich finde immer wieder ein paar Sachen. Aber wenn wir über Rock sprechen, dann muss ich da mittlerweile auch so eine Platte wie The XX darunter abheften. Das sind zwei Leute, die machen auch Gitarrenmusik, aber da weht dann eher der Geist von Joy Division durch als so richtiger Breitband-Rock mit zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug. Ich glaube, die Entwicklung, die damals ihren Anfang genommen hat, die ist einigermaßen konsequent weitergegangen. So richtig berührt mich da nichts mehr. Und es geht auch ums berührt werden – was fange ich mit der Musik an, was löst die in mir aus? Und da ist es zunehmend elektronische Musik, die mich glücklich macht. Und manchmal so was Versponnenes wie The XX oder Tender Trap, Beach House … Das ist Indie-Rock im weitesten Sinne, und das macht mich teilweise immer noch ganz glücklich. Es muss dann aber eher minimalistisch und so ein bisschen melancholisch sein, damit es mich berührt.

Herr Kavka, herzlichen Dank für das Gespräch.