Entwicklungshelfer für das deutsche Fernsehen

Am 30. Juli feiert Chris Howland, deutscher Hörfunk- und TV-Pionier britischer Abstammung, seinen 85. Geburtstag. Vor 65 Jahren kam er nach Westdeutschland, seit 1952 moderiert er im deutschsprachigen Radio, 1953 stand er erstmals vor der Fernsehkamera des NWDR. Aus einer Kritik zu seiner ersten TV-Sendung: „Die beste Sendung war die, der man nach dem Programmtitel keinerlei Chance gab. Es war nämlich ein Schallplattenjockey angekündigt. Plattenspielen im Fernsehen – unmöglich! Aber Chris Howland vom BFN war in seiner Conférence so einfallsreich, witzig, charmant, in seinem stummen Spiel so grotesk, überlegen, dämlich, schüchtern, frech – es können nach Belieben alle anderen Bezeichnungen eingesetzt werden. – Das macht ihm so leicht keiner nach!“ („Hamburger Echo“, 1953)

Für Jugendliche waren Howlands Sendungen gerade in den 1950ern ein Muss, er war, wie manch anderer seiner Landsleute, eine Art Entwicklungshelfer für den deutschen Rundfunk. Als einer der wenigen spielte er die aktuellen Musikstile Jazz, Skiffle, vereinzelt sogar Rock ’n‘ Roll. Auf WDR 4 kann man ihn auch heute noch moderieren hören. Im Namen aller damaligen und heutigen Hörer: Happy Birthday, Chris. And thank you for the music.

Mehr dazu unter http://www.fr-online.de/tv-kritik/tv-kritik–ich-kam-nach-hause–chris-howland-huldigung-mit-luecken,1473344,23852354.html und in der Osnabrücker Ausstellung „The Beat Goes On. Der Sound. Der Style„.

Nostalgische Gedanken zum Thema Basisqualifikationen

Wie lautete noch die Meldung neulich – Springer will in die journalistische Kompetenz der „Welt“ investieren? Zumindest so ähnlich. In manchen Bereichen kann es nur besser werden. Aktuell meldet zum Beispiel die Web-Seite der „Welt“: „Deutschlands älteste Dokusoap „Frauentausch“ wird zehn Jahre alt“.

Im Weiteren erklärt die Autorin ausführlich, wie „Frauentausch“ (wir ergänzen: im britischen Original „Wife Swap“, dort inzwischen eingestellt) funktioniert. Und müsste dann doch eigentlich selbst gewahr werden, dass es sich bei dieser Sendung keinesfalls um eine Dokusoap handeln kann, sondern um eine Spiel- oder auch Versuchsanordnung: Es wird inszeniert, nicht dokumentiert. Ebenso fehlt der Fortsetzungscharakter, der eine Soap, ob nun fiktional oder dokumentarisch, nun mal auszeichnet. Eine Erzählform nebenbei, die sich bruchlos bis zu den Fortsetzungsromanen des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen lässt, zu Charles Dickens, Dumas, Balzac, Eugène Sue …

Wäre aber „Frauentausch“ tatsächlich eine Dokusoap, dann bei weitem nicht die älteste. Ihr voraus gingen zum Beispiel „Die Fussbroichs“ (ab 1990, WDR), „OP – Schicksale aus dem Klinikum“ (ab 1998, ZDF), „Abnehmen in Essen“ (ab 1999, WDR), „Das Clubschiff“ (1999, RTL), „Frankfurt Airport“ (ab 1999, ZDF). Um nur einige der Produktionen zu nennen, die älter sind als zehn Jahre.

Warum wissen heutige Medienredakteure so etwas nicht? Man erwartet doch auch von einem Filmredakteur, dass er die wichtigsten Western, Gangsterfilme, Melodramen kennt. Nein? Auch nicht mehr? O.k., verbuchen wir also auch das unter dem Stichwort Nostalgie.

Deutsche Gesichter in internationalen Serien

Copyright 2012 HOME BOX OFFICE, INC.

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In einer Sonderaktion laufen am 26.8.2013 die ersten zwei Folgen der dritten Staffel von „Game of Thrones“ in den folgenden Städten auf der Großleinwand: Augsburg, Berlin, Bielefeld, Bremen, Essen, Hamburg, Hannover, Kiel, München und Stuttgart. Kartenbestellungen unter www.cinemaxx.de/GameOfThrones. Ab dem 4.9. gibt es die komplette dritte Staffel dann zunächst immer mittwochs bei TNT Serie, später auch im Free-TV.

Peter Dinklage, Darsteller des Tyrion Lannister, wurde in diesem Jahr erneut für einen Emmy als bester Serienschauspieler nominiert, den er bereits einmal gewinnen konnte. In der Rolle seiner unstandesgemäßen Geliebten Shae zählt auch die deutsch-türkische Schauspielerin Sibel Kekilli (Foto unten) zur Stammbesetzung. Der deutsche Schauspieler Tom Wlaschiha ist in dieser Staffel nicht dabei, spielt aber mittlerweile in der europäisch-US-amerikanischen TV-Koproduktion „Crossing Lines“ neben Donald Sutherland, William Fichtner u. a., die ab 22. August bei Sat.1 ausgestrahlt wird.

„Crossing Lines“ zeigt die meist sehr abenteuerliche Arbeit einer internationalen Ermittlereinheit, die tätig wird, wenn grenzüberschreitende Verbrechen geschehen. Gedreht wurde in den Prager Barrandov Studios, die alle nötigen Schauplätze – auch ein Double für den Berliner Tiergarten – bereithalten. In der Episode „Long-Haul Predators“, die größtenteils in Deutschland spielt, zählen Bettina Zimmermann, Oliver Stokowski und Florentine Lahme zu den Gaststars und gelangten auf diese Weise auch auf US-amerikanische Bildschirme. Produktionspartner in den USA ist das Network NBC. Für US-Network-Verhältnisse ist die Serie ausgesprochen düster, denn man kann nicht davon ausgehen, dass die Protagonisten, seien es Serien- oder Episodenhelden, überleben. Damit aber ist die Erzählung, die sowohl episodische wie auch Fortsetzungselemente enthält, ähnlich wie die darin noch weitaus extremere britische Produktion „Spooks“ gerade besonders spannend.

Weniger überzeugend ist das Zusammenspiel der Hauptfiguren – zumindest in den ersten Episoden. Vielleicht verbessert sich dieser Aspekt noch im weiteren Verlauf der Handlung, aber es mangelt an einer verdichtenden Regie, wie sie, vergleiche zum Beispiel die Ensembleserie „Scandal“, so viele hochkarätige US-Serien auszeichnet.

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Fortpflanzungspolitik öffnet Extremisten Tür und Tor

Immer wenn mal wieder eine vorlaute Stimme unbedacht die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunk fordert, dann muss es all jene gruseln, die sich bisweilen mit dem Zustandekommen der öffentlichen Meinung befassen. Denn die wird auch gefüttert durch Schriftgut, das ausschließlich anzeigenfinanziert in jeden Briefkasten gelangt. Im Osnabrücker Raum zählt dazu zum Beispiel die „Osnabrücker Sonntagszeitung“, die von sich behauptet, die „reichweitenstärkste Zeitung im Verteilungsgebiet“ zu sein. Gefüllt wird das Blatt kostengünstig mit Pressemitteilungen, PR-Material und einigen Agenturmeldungen. Aber auch Verleger Norbert Fuhs selbst greift regelmäßig zur Feder, um seiner Leserschaft Sonntag für Sonntag in seiner Kolumne „Die OSZ-Woche“ die Welt zu erklären. Mit Anmerkungen und Kommentaren wie dem folgenden:

„Sogenannte ‚Schläfer‘ leben hier oft unerkannt und ‚ganz normal‘. Das sind Menschen, die oft über viele Jahre hier leben und arbeiten, die meist in einem arabischen oder pakistanischen Land für den Guerillakrieg ausgebildet werden und hier jetzt auf ihren ‚Einsatzbefehl‘ für den heiligen Krieg warten. Wie sollen die westlichen Geheimdienste diese Menschen feststellen, ohne den deutschen e-mail- und Telefonverkehr zu überwachen? Wir haben durch unsere schlechte Fortpflanzungspolitik und die dadurch bedingten Zuwanderungsregeln die Türen für die Extremisten weit aufgestoßen. Die Täter leben hier!“

Arte wiederholt sich

Mit seinem aktuellen Themenschwerpunkt „Summer of Soul“ bereitet Arte derzeit nicht nur den Freunden dieser musikalischen Stilrichtung viel Freude. Es geht um mehr: um Politik, gesellschaftlichen Wandel, Kulturgeschichte. Dies ist umso bemerkenswerter, als pophistorische Themen in anderen Redaktionen, zum Beispiel innerhalb des NDR, als „Specialinterest-Fernsehen“ abqualifiziert werden, die nicht einmal einen 45-Minuten-Sendeplatz verdienen.

Die Bereitstellung gleich mehrerer Termine im Juli und im August durch Arte erst macht es möglich, die vielen Aspekte und Facetten des Themas umfassend zu beleuchten. Dass es dabei zu inhaltlichen Überschneidungen kommt, lässt sich verschmerzen, wenn zum Beispiel mehrfach Ausschnitte aus alten Wochenschauen oder Fernsehberichten zu sehen sind, die zur Erläuterung des Kontextes beitragen.

Beim ersten Film der vierteiligen Dokumentarreihe „Soul Power!“ aber kamen doch Irritationen auf. Hatte man den Beitrag nicht gerade erst einige Wochen vorher, am 6. Juli, ebenfalls bei Arte – und zwar schon damals als Wiederholung – gesehen? Allerdings unter dem Titel „Birth of Groove“. Das Entstehungsjahr jenes Films war mit 2010 angegeben, „Soul Power!“, Teil 1, soll in 2013 produziert worden sein. Viele Interviewpassagen aber waren ähnlich oder sogar identisch. Und Gesprächspartner wie Gabriel Roth, Charlie Musselwhite, Dee Dee Bridgewater und Martha Reeves trugen exakt dieselbe Garderobe. Da hatte der Filmautor Jean-Alexander Ntivyihabwa offenbar massiv auf altes Material zurückgegriffen. Das mag hinzunehmen sein, wenn die Interviewten wie etwa der Soul-Gigant Solomon Burke mittlerweile verstorben sind. Aber die Übereinstimmungen mit dem drei Jahre älteren Film waren doch so umfassend, dass die Frage aufkommt, ob eine Neuproduktion, die hier in erster Linie aus einer neuen Montage bestand, denn überhaupt nötig gewesen wäre.

Arte bezog auf Anfrage folgendermaßen Stellung:

„Ihre Frage ist einerseits berechtigt, auch die zuständige Redaktion ist sich des Problems der Protagonistenauswahl bewusst und steht dazu in Gesprächen mit den Produzenten. Bei manchem Archivmaterial (Martin Luther King) sind Dopplungen allerdings unvermeidlich.

Eine Neuproduktion ist die Dokumentation dennoch, da „Soul Power“ erzählerisch wesentlich weiter ausholt; der erzählerische Kontext ist ein anderer als bei „Birth of Groove“, was die Erstausstrahlung letztlich rechtfertigt.“

 

Der Vollständigkeit halber

"Crime Story", Vorspannmotiv und DVD-Cover.

„Crime Story“, Vorspannmotiv und DVD-Cover.

Der Schauspieler Dennis Farina ist tot und es ist nur recht, aber auch billig, dass diverse Medien den von dpa ausgesandten Nachruf übernehmen oder zitieren. Allerdings hätte man von dem einen oder anderen Qualitätsmedium erwartet, dass der doch allzu lapidare Schlusssatz der folgenden Passage der nötigen Bearbeitung unterzogen worden wäre:

„In den Komödien ‚Midnight Run‘ (1988) und ‚Schnappt Shorty‘ (1995) mimte er Mafiabosse, in Steven Spielbergs Kriegsdrama ‚Der Soldat James Ryan‘ (1998) spielte er einen Armee-Oberst. Daneben war er in Fernsehserien wie ‚Crime Story‘ und ‚Miami Vice‘ zu sehen.“

Denn diese beiden Serien wurden produziert von Michael Mann, der den Ex-Polizisten Farina 1981 für sein stilisiertes Gangsterdrama „Thief“ (dt. „Der Einzelgänger“) als Fachberater angeheuert hatte. Die folgenden TV- und Kinorollen waren weniger maßgeblich, aber in der ab 1986 ausgestrahlten epischen Serie „Crime Story“, für die Mann auch selbst zur Feder griff, stand Farina nicht nur im Zentrum des Geschehens, sondern konnte sein ganzes Charisma ausspielen und auch sein Profil als Charakterdarsteller schärfen. Die epische Kriminalserie „Crime Story“ beschrieb über Orte und Jahre hinweg den Kampf gegen die Mafia zu Beginn der 1960er-Jahre. Die Autoren um die Serienschöpfer Chuck Adamson – ebenfalls ein Ex-Polizist und zeitweilig im selben Chicagoer Department tätig wie Dennis Farina – und Gustave Reininger nahmen dabei immer wieder Bezug auf reale Ereignisse. So lässt sich in einer Figur unschwer der junge Robert F. Kennedy erkennen. Zum Ensemble der Serie zählten unter anderem Pam Grier, Michael Madsen, David Caruso, Eric Bogosian und Ted Levine. Die Musik stammte von Al Kooper und Todd Rundgren.

Dennis Farina verkörperte den unbeirrbaren Lt. Mike Torello, der mit seinem eingeschworenen Team energisch und mit der damals noch üblichen Härte, die dem Verdächtigen keinerlei Rechte zubilligt, gegen das organisierte Verbrechen vorging, dabei vielerlei Rückschläge erlitt, seine Ehe aufs Spiel setzte, und der auch niedergeschlagen und verzweifelt sein konnte, wenn einer seiner Mitstreiter (vermeintlich) die Seite wechselte und sich bei den Gangstern verdingte. Hier zeigte Farina weit mehr schauspielerische Potenz als in manchen Leinwand-Blockbustern, deren Regisseure ihn auf – mitunter recht alberne – Klischeefiguren reduzierten.

Bedauerlich also und der Wahrheit fern, wenn Farinas Fernsehrollen – die Serie „Buddy Faro“ (1998) produzierte er sogar selbst – mit einem geringschätzigen „Daneben …“ als minderwertig hingestellt werden.

Wer lärmt denn da im Sommerloch?

Programmgestalter des deutschen, zumal des öffentlich-rechtlichen Fernsehens müssen sehr gefestigte Menschen sein und über ein robustes Naturell verfügen. Denn in ihrem erwählten Beruf werden sie niemals Anerkennung finden. Zumindest nicht in jener publizistischen Ecke, die mit Medienjournalismus überschrieben ist. Wobei das mit dem Journalismus – erinnert sich noch jemand an das Lehrbuchkapitel „Sorgfaltspflicht“? – auch wieder so eine Sache ist.

Was immer die Programmschaffenden anstellen, sie sehen sich in jedem Fall publizistischen Hieben ausgesetzt. Nehmen wir als Beispiel das Angebot zur Sommerzeit. Kürzlich beklagte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ in einem Kommentar: „Im Fernsehen werden die Zuschauer in den Sommermonaten mit Wiederholungen abgespeist. Nun bleibt zu hoffen, dass das Wetter niemanden zwingt, auf das dürftige Programm zurückgreifen zu müssen.“ Und natürlich wurde das Thema Gebühren aufgerufen, da freuen sich vor allem jene Leser, die einen eher affektiven Zugang zum Sujet haben: „So wird uns programmatisch der Sommer vermiest – obwohl wir im Juli und August nicht weniger Gebühren zahlen als sonst.“

Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ schien sich dem inhaltlich anschließen zu wollen: „Als daheimgebliebener Gebührenzahler kann man angesichts des öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramms während der Ferienzeit graue Haare bekommen: Wiederholungen, Wiederholungen, nichts als Wiederholungen.“ Aber halt, der Kommentator reißt das Steuer herum und zählt ein paar sehenswerte Erstaufführungen auf, darunter den Film „George“, dessen Hauptdarsteller Götz George sich gegen eine Ausstrahlung in der Sommerzeit ausgesprochen, aber kein Gehör gefunden hatte. Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ stimmt in das Gemurre des Großschauspielers ein und findet die Ausstrahlung „im Sommerloch“ (philosophische Frage: Ist ein programmlich gefülltes Sommerloch überhaupt noch ein Loch?) „eine Unverschämtheit“. Und auch so herum lässt sich gegen die Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wettern: „Und als Gebührenzahler fragt man sich: Darf man eigentlich so mit unseren Geldern umgehen?“

So wird uns publizistisch der Sommer vermiest – obwohl wir im Juli und August nicht weniger fürs Zeitungsabonnement zahlen als sonst.