Mit „Die Chefin“ tat das ZDF 2012 in Sachen Serienkrimi einen kleinen Schritt nach vorn, inzwischen aber zwei zurück. Mehr dazu unter http://www.fr-online.de/tatort-spezial/-die-chefin–treibjagd—zdf-rueckfall-in-alte-muster,20719658,30658138.html
Leider kam die erbetene Stellungnahme von ZDF-Redakteur Günther van Endert zu spät. Sie sei hier nachgereicht:
„Schon die erste Staffel hatte episodischen Charakter. Daneben gab es eine ‚horizontale Spur‘, die sich durch alle vier Folgen zog und mit der Ermordung des Ehemannes von Vera Lanz (Katharina Böhm) zu tun hatte. Diese Spur gibt es in den folgenden Staffeln nicht mehr.
Die Quote ist zuletzt angestiegen. Wir führen das darauf zurück, dass die Reihe sich jetzt ‚gefunden‘ hat. Die Hauptfiguren, allen voran Vera Lanz, sind jetzt stimmig, und wir erzählen passende, spannendere Geschichten.“
Womit also gesagt wäre, dass die Serie ursprünglich mit unstimmigen Figuren, unpassenden Geschichten und spannungslos auf Sendung ging. Das kann man anders sehen. Hier ein Auszug aus meiner Kritik zur ersten Staffel aus der „Funkkorrespondenz“ (Heft 9, 2.3.2012, S. 33-34):
„(…) Neben den episodischen Kriminalfällen, die erwartungsgemäß zum Ende jeder Folge ihre Auflösung finden, gibt es eine zweite Ebene. Vera Lanz ist jung verwitet. Ihr verstorbener Ehemann war ebenfalls Kriminalbeamter, ermittelte verdeckt im kriminellen Wirtschaftsmilieu, soll dort Geld gestohlen und sich nach Italien abgesetzt haben, wo er im Zuge einer Schießerei mit Polizisten den Tod fand. Anfangs scheint es, als habe Vera Lanz, auch mit Rücksicht auf ihre 17-jährige Tochter, diese Vergangenheit hinter sich gelassen. Doch das täuscht. In ihrem Keller hat sie sich ein eigenes Ermittlungsbüro eingerichtet. An den Wänden hängen Zeitungsausschnitte und Fotos – auch von ihren Kollegen und vom Staatsanwalt, mit dem sie sich gelegentlich bei einem Schäferstündchen vergnügt. Diese versteckte Asservatenkammer übrigens gab es sehr ähnlich bereits in der von Vox gezeigten US-Serie „Life“ (USA 2007-2009).
Ähnlich wie in „Life“ wird auch in „Die Chefin“ Zug um Zug mehr über die vergangene Affäre enthüllt. Menschen aus Vera Lanz’ unmittelbarem Umfeld sind verdächtig; einer ihrer aktuellen Fälle steht in Verbindung mit den damaligen Ereignissen. So erhält die vierteilige Staffel einen übergreifenden Handlungsbogen inklusive weichem Cliffhanger am Ende jeder Episode. Folge um Folge gewinnt die Erzählung an Spannung; die Klimax ereignet sich in der packenden vierten Episode – ein für das Krimipublikum, das sich zusätzlich im Internet unter http://www.diechefin.zdf.de an den Ermittlungen beteiligen kann, befriedigendes Ende, aber mit einer deutlich herausgestellten Option auf Fortsetzung.
Das Kalkül ist offensichtlich. Die Urheber der Serie knüpfen an die Sehgewohnheiten der Stammzuschauer an, muten ihnen aber im Kleid der Konvention einige kühne Volten zu, darunter den gewaltsamen Tod einer als Sympathieträger eingeführten wiederkehrenden Figur. Eine durchaus geschickte, mähliche Modernisierung, die eigentlich schon viele Jahre früher hätte einsetzen müssen. Bleibt zu wünschen, dass der Fortschritt dieses Mal gelingt und künftighin ein wenig weiter getrieben werden kann.“
Der fromme Wunsch blieb unerfüllt. Das deutsche Publikum verlangt nach der Konvention und die Sender ziehen es augenscheinlich vor, dem nachzukommen.
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