Filmfieber

Das Programm des kommenden Unabhängigen FilmFests Osnabrück ist seit heute im Web verfügbar. Die Druckversion folgt in Kürze. Ich durfte mit einer Gruppe Studierender an der Programmgestaltung mitwirken. Wegen Corona unter erschwerten Bedingungen, trotzdem mit sehr vorzeigbarem Ergebnis. Auch die anderen Gremien haben wieder eine tolle Auswahl getroffen. Die Pandemie verlangt in diesem Jahr ein paar Sondermaßnahmen, dennoch wird das klassische Kinoerlebnis möglich sein. Näheres erfahrt ihr unter diesem Link: https://filmfest-osnabrueck.de/programm-2020/

P. S. Der RBB zeigt noch bis zum 12. Dezember im Nachtprogramm aktuelle Kurzfilme. Am 24.10.2020 steht um 0:50 Uhr Sophie Linnenbaums „Das Mensch“ auf dem Programm, im letzten Jahr in der Sparte „Studentische Kurzfilme“ auf der Shortlist beim Unabhängigen FilmFest Osnabrück. Sophie Linnenbaum hat mittlerweile ihr Studium abgeschlossen und gehörte in diesem Jahr zum Regieteam der sehenswerten ZDFneo-Serie „Deutscher“.

Pionier und Visionär

Am 31. August dieses Jahres verstarb der Schriftsteller Thomas R. P. Mielke, ein Pionier deutscher Science- und Social-Fiction, auch Verfasser großer Historienepen. Bemerkenswert: 1985 veröffentlichte er „Der Tag an dem die Mauer brach“, nahm darin den friedlichen Mauerfall vorweg und sprach auch schon von „Wessis“ und „Ossis“. 2009 hatte ich Gelegenheit, Mielke zu interviewen, auch im Gespräch ein lebendiger, unterhaltsamer und themenreicher Erzähler. Anlass war die Wiederveröffentlichung der utopischen Romanreihe „Die Terranauten“. Hier der damals entstandene Text. Natürlich ist er nicht auf heutigem Stand, aber ich belasse ihn als Zeitzeugnis im Original. Den ersten Absatz müsste man heute ins Präsenz setzen …

Ihrer Zeit voraus

Es klingt, als sei da jemand in die Zukunft gereist und blicke zurück auf das, was heutigen Generationen womöglich bald bevorsteht: „Zu Beginn des 21. Jahrhunderts brach auf der ausgelaugten und vergifteten Erde das Chaos aus. Umweltkatastrophen veränderten das Klima und lösten damit große Völkerwanderungen aus. Die bisher bekannten Nationen zerbrachen …“

Geschrieben wurden diese visionären Zeilen bereits 1979, und sie erschienen in einer Form, die bis heute keinen guten Ruf genießt: in einem Groschenheft. „Die Terranauten“ lautete der Titel der Reihe, die von Rolf W. Liersch und Thomas R. P. Mielke erdacht worden war und einer Neuorientierung auf dem Gebiet serieller Science Fiction gleichkam. Wo sich andere Serien wie „Perry Rhodan“ oder „Rex Corda“ in der Erfindung spektakulärer Zukunftstechnologien überboten, wagten Liersch und Mielke die Kehrtwende. Mielke, heute auch bekannt als Verfasser großer historischer Romane („Die Varus-Legende“; „Colonia: Roman einer Stadt“), skizziert die Tendenz der Fortsetzungsgeschichte mit den Worten: „Wir wollten das Gegenteil von ‚Perry Rhodan‘. Also nicht den Imperator, der alles unterjocht, und am Schluss siegt die arisch-terranische Rasse.“ In einem damaligen Konzeptpapier hieß es unter anderem: „Keine Ledernacken-Ideologie (…), sondern der Versuch, engagierte, aber keineswegs linke SF zu schreiben mit dem Leitthema Widerstand, aber ohne Terror, mit Elementen von Bürgerinitiativen, Rückbesinnung auf den Menschen, Zweifel an Zuwachsraten, verwebt mit etwas Mystik, Aberglauben, Philosophie, kurz: Suche nach einer menschlicheren Zukunft.“

Mielke und Liersch zogen sich jedoch von dem Projekt zurück, nachdem der Verlag darauf beharrte, einen Einzelhelden in den Mittelpunkt zu stellen. Das Resultat war, so Thomas Mielke, „Jerry Cotton im Weltall“. „Da haben wir gesagt: Nicht mit uns.“ Doch auch das letztlich lancierte Produkt kam Ende der 1970er-Jahre noch immer einer Umwälzung gleich, zumal auf dem Markt der Heftchenromane. Eine verfrühte Pionierleistung – nach 99 Ausgaben wurde die Reihe wegen sinkender Verkaufszahlen eingestellt.

Heute gelten „Die Terranauten“ als Klassiker. Immer wieder wurde Heinz Mohlberg von Kunden nach den „Terranauten“ gefragt. Der Kölner hat sich mit seinem Verlag auf die Wiederveröffentlichung klassischer Heftromane spezialisiert. Nachgefragt werden sie, so Mohlberg, vor allem von Lesern, die die Titel noch aus ihrer Jugendzeit kennen. „Das hat man damals mit der Taschenlampe unter der Bettdecke gelesen“, lacht er. Heute existiert eine rege Sammlerszene. Das sei „auch ein netter sozialer Aspekt. Man tauscht sich aus und ist sofort per Du, unabhängig vom Alter.“

Der Vertriebsweg allerdings hat sich vom Kiosk aufs Internet verlagert. „Für diese Art Literatur“, erläutert Mohlberg, „für eine sammlerorientierte Literatur, ist das Internet schon ein Segen.“ Der Grund: Viele Buchhandlungen, von spezialisierten Händlern abgesehen, führen Romane des fantastischen Genres nicht in ihrem Sortiment. Ohnehin haben es Kleinverlage aller Sparten schwer – meist erhält man Bücher aus ihren Programmen nur auf Bestellung. Ein literarischer Einkaufsbummel, ein neugieriges Blättern und Entdecken, ist da kaum mehr möglich.

Als Verleger hat Mohlberg nun nach diversen anderen Genreklassikern auch „Die Terranauten“ wieder zugänglich gemacht. Jeder Band enthält drei ursprüngliche Heftromane, die für die Neuausgabe behutsam überarbeitet wurden.

Den besonderen Rang der „Terranauten“ streicht auch Eva Bauche-Eppers heraus: „Damals war grün angehauchte Science Fiction ein Novum.“ Unter dem Pseudonym Eva Christoff beziehungsweise dem Sammelnamen Robert Quint war Bauche-Eppers seinerzeit die einzige Frau im „Terranauten“-Autorenstab. Sie erinnert sich, dass sie relative Freiheiten genoss: Abgesehen von einigen nötigen inhaltlichen Verknüpfungen „hat mir keiner dreingeredet. Was mich wundert, denn ich glaube mich zu erinnern, dass die von mir geschriebenen Folgen in Stil und Inhalt von den anderen etwas abwichen.“

Die Mitarbeit an der Serie wies Eva Bauche-Eppers den weiteren beruflichen Weg: Heute arbeitet sie als literarische Übersetzerin für Bastei Lübbe, Suhrkamp und andere. Für ihre Übertragung der sprachlich anspruchsvollen fantastisch-utopischen Romane China Miévilles ins Deutsche wurde sie 2002 mit dem Kurd Laßwitz Preis ausgezeichnet.