Verlustanzeige

Erfahre gerade, dass Wiglaf Droste verstorben ist und muss erst einmal nach Worten suchen.
Ein paar Schritte lang haben wir einander begleitet. Wir kannten uns noch nicht, als der damals noch in Bielefeld ansässige Wiglaf mit seiner Band Affaire Vincetti in der Osnabrücker Lagerhalle auftrat. Später war er mein erster Redakteur bei der Berliner taz. Er hat uns freien Autorinnen und Autoren, dafür bin ich ihm bis heute dankbar, weil sich das Redaktionswesen so dramatisch verändert hat, unendlich viel Spielraum gelassen, thematisch, inhaltlich, stilistisch. Das Layout richtete sich nach dem Text, nicht umgekehrt. Unter Wiglafs Federführung hatte die taz-Medienseite Raum für Schabernack, Sprachwitz und Drolerien. Auch für die ironisch-liebevolle Besprechung von Fernsehserien, über die andernorts von notorischen Stirnrunzlern allenfalls mit Ekel und Verachtung geschrieben wurde, sofern man sie überhaupt zur Kenntnis nahm. Man spürt noch heute, dass Deutschland in Sachen Serienrezension keine gewachsene Tradition besitzt.
Auch wenn wir, Wiglaf eingeschlossen, oft bissig über das Fernsehen schrieben, waren wir dem Medium doch von Herzen zugeneigt. Wir gehörten zur ersten Generation, die mit dem Fernsehen aufgewachsen war, und wir wussten um seine Möglichkeiten. Oder erahnten sie zumindest.
Persönlich lernten wir uns kennen, als er mit Max Goldt auf Lesetour ging. Wiglaf übernachtete bei mir, Max bei Freund Tom, gleich eine Straße weiter. Wiglaf war ganz begeistert, in meinem Bücherschrank den Roman Zielwasser von Kurt Vonnegut zu entdecken. Den kannte er noch nicht. Er hat ihn rotweinselig noch nachts angefangen zu lesen, heimlich eingesteckt und mir kurz darauf mit einer Entschuldigung zurückgeschickt.
Was für ein Rabauke. Aber einer mit empfindsamer Seele.
Adiós compañero. Mach’s gut und grüß die anderen.
Du weißt schon …