Warteschleife

Unsere Medienseiten boten jetzt schon längere Zeit kein Interview mehr mit Jakob Augstein über dessen ausgefuchste Strategien wider den Abonnenten- und Bedeutungsschwund hergebrachter Kaufzeitungen. Könnte man doch eigentlich mal wieder machen. Apropos – geht es dem „Freitag“ eigentlich gut? Dort braucht man inzwischen sechs Monate – doch, doch: SECHS MONATE -, um ein eher kümmerliches Honorar zu überweisen. Kein gutes Zeichen, oder?

Übrigens dreht der „Freitag“ seinen Lesern gelegentlich mal eine tüchtig lange Nase. Wenn man beispielweise kolportiert wie folgt: „„Der Kommissar“ gilt als erste deutsche Krimiserie. (…) Produziert wurde Der Kommissar von Helmut Ringelmann (Traumschiff) …“

Das „Traumschiff“ wurde – und wird – von Wolfgang Rademann produziert. Daran ist der ansonsten notorisch kriminogene Ringelmann ausnahmsweise unschuldig. Und „Der Kommissar“ gilt als „erste deutsche Krimiserie“? Aber nur jenen, die dem Thema völlig desinteressiert gegenüberstehen.

Für und Wider

Mit dem Fernsehen verhält es sich wie mit dem Wetter. Egal wie es sich zeigt, es gibt immer Grund zum Nörgeln. Jens Jessen von der „Zeit“ hat scheint’s auch gerade kein bedeutsameres Thema gefunden. Anbei einige seiner funkelndsten Sätze und was dem einfachen fernsehenden Volk bei ihrer Lektüre durch den Kopf schoss.

Die Parteien und Politiker wollen den öffentlich-rechtlichen Sendern einen Konkurrenzvorteil gegenüber den Privaten verschaffen, weil sie damit über ein Instrument zur Beeinflussung der Wähler verfügen, das sie ihrerseits beeinflussen können.

Wir Seniorenheimbewohner mussten bei diesen Worten unwillkürlich daran denken, dass der CDU-Kanzler Konrad Adenauer und später sein Parteifreund Ernst Albrecht die Einführung des privaten Rundfunks nicht zuletzt deshalb so vehement betrieben, weil ihnen die mangelnde Willfährigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender ein großes Ärgernis war. Bei diesen Bestrebungen waren übrigens die Verlegerverbände meist mit im Boot.

Warum also duldet der Staat die Gebührenfinanzierung eines Systems, das sich diese Qualität nur am Rande und nur in Ausnahmen leistet?

Problematisch an dieser sehr verbreiteten Art der Argumentationsführung ist ein ums andere Mal, dass die Verfasser „Qualität“ gemeinhin mit dem eigenen Geschmack gleichsetzen. Strickte man ein reales TV-Angebot aus sämtlichen vorfindbaren Qualitätsforderungen, erhielte man einen ziemlich bunten Programmteppich. Ungefähr der Art, wie wir ihn – Kabel- oder Satellitennutzung vorausgesetzt – lustigerweise bereits haben.

Das Fernsehen, weit davon entfernt, die Zuschauer auf die Höhen der bürgerlichen Bildung zu heben (wie eine berühmte Formulierung der deutschen Arbeiterbewegung lautete) oder ihnen auch nur die Chance auf Teilhabe zu eröffnen, konkurriert mit den billigsten Boulevardmedien um die niedrigsten Instinkte der dümmsten Bevölkerungsteile.

Und es verschlägt einem den Atem, mit welch perfiden Mitteln es das tut. Dass die ARD am kommenden Samstagabend mit einer Live-Übertragung von der Leichtathletik-EM pures Affektfernsehen veranstaltet, wird wohl kein Programmverantwortlicher ernsthaft abstreiten wollen. Das Bayerische Fernsehen unterbietet gleichzeitig alles Dagewesene mit einem Themenabend „Neues argentinisches Kino“ (die gezeigten vier Filme hätte man gern im lokalen Arthouse-Kino gesehen, aber das bevorzugt „Twilight …“, „Toy Story 3“ und „Knight and Day“). 3sat geht ebenfalls um 20.15 Uhr tief unter die Gürtellinie mit einer Wiederholung (!) von Verdis „Rigoletto“ (darin reihen sich Ehebrüche, Entführung, Mord!). Ganz schmuddelig wird es im ZDF, wo „Bella Block“ unter verbrecherischen Hebammen ermittelt. Da werden sich die dümmsten Bevölkerungsteile wieder einmal freuen!

Der Verweis auf Arte oder 3sat ist gerade kein Gegenargument – denn die Entfernung der Kultur aus der Mitte der Gesellschaft ist ja das Problem.

Man müsste also eigentlich nur die Programmplätze tauschen – einmal Arte auf die Frequenz des Ersten verlegt, und schon lassen die Menschen freudig ab von niedrigen Volksmusiksendungen und gedankenlosen Rateshows und die Kulturnation wäre gerettet. So einfach können Lösungen sein. Nämlich:

Wenn das öffentlich-rechtliche System seine Legitimationskrise lösen will, dann muss es sich zwischen Quote und Gebühr entscheiden.

Und wer das neue, kulturell hochwertige Programm im Geiste Jessens dann nicht gucken will, kriegt’s mit dem Rohrstock.

Schmückende Verzierung

Das ist ja auch mal eine interessante Formulierung (fünftes Wort von vorn), mit der Eonline über Oliver Stones jüngsten Schnitzer berichtet:

„Ich wollte auf die Paillette von Verbrechen verweisen, die die Deutschen gegen viele Menschen begangen haben, und in diesem Zusammenhang habe ich eine ungeschickte Verbindung zum Holocaust hergestellt, und das bedaure ich und will mich dafür entschuldigen“, sagte er.

Besagtes Portal ist nicht zuletzt ein Organ des Modejournalismus. Und vielleicht auch journalistischer Moden.

Aus Freude am Medium Film

Das ZDF zeigt den Debütfilm „wie Matrosen“

Zwei junge Menschen treffen zufällig aufeinander, in einer Art Transitsituation, natürlich in Berlin. Sie sind beide von Menschen umgeben und wirken doch verloren. Als sich ihre Wege kreuzen, spüren sie auf Anhieb so etwas wie geistige Verwandtschaft und finden für einige Stunden zusammen.

Er habe von zwischenmenschlichen Begegnungen erzählen wollen, erklärt der 1979 geborene Jesper Petzke, „von sehnsuchtsvollen Figuren, die vielleicht gar nicht so richtig wissen, was mit ihnen los ist. Es ging darum, diese befristete Begegnung zu sezieren und zu beobachten, um dadurch hoffentlich dem Zuschauer die Schönheit dieser Begegnung vermitteln zu können.“ Dabei gelingt es Petzke, eine permanente Spannung zu wahren, die teils aus der Ungewissheit entsteht: Was wollen die beiden voneinander, hegen sie aufrichtige Gefühle oder benutzen sie sich nur?

Mit André Szymanski und Alice Dwyer hatte Petzke zwei Schauspieler zur Verfügung, die diesen Figuren glaubwürdig Leben einhauchen. Zu deren Eigenarten gehören sympathische Anachronismen, die so schlüssig ins Geschehen integriert sind, dass sie kaum auffallen. So zieht die Kanadierin Eve ihren deutschen Bekannten Mark in einen jener Fotoautomaten, die fast schon ausgestorben und zu Sammlerobjekten geworden waren, in Berlin aber, wie Petzke berichtet, eine unerwartete Renaissance erlebten.

Eve selbst fotografiert mit einer längst vom Markt verschwundenen analogen Agfa-Pocketkamera und begeistert sich auf dem Flohmarkt für schwarzweiße Kontaktabzüge, während Mark, der als DJ steril-synthetische Techno-Stücke mischt, andächtig Bob Dylans „Bringing It All Back Home“ aus einer Kiste mit Vinylplatten zieht. Ein Hinweis des Regisseurs auf eigene Leidenschaften – Jesper Petzke zählt die LP zu seinen Lieblingsalben.

„Wie Matrosen“ ist Petzkes Abschlussfilm an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen. Erfahrungen sammelte er als Regieassistent und Second-Unit-Regisseur, häufig im Team mit der Erfolgsregisseurin Vivian Naefe, unter anderem beim Kinohit „Die wilden Hühner“. Petzkes Weg ins Filmgeschäft war beinahe vorgezeichnet, die „Freude am Medium Film“, wie er sagt, wurde früh geweckt. Schon als Kind durfte er mit einer Videokamera spielen. Sein Vater Ingo drehte selbst Filme, ist ein Pionier der Avantgarde- und Experimentalfilmforschung, war Dozent und führte einen Filmverleih. Derzeit ist er Direktor des Steinbeis Forschungszentrums Experimenteller Film in Würzburg.

„Das sind die Filme, mit denen ich sozialisiert worden bin“, lacht Jesper Petzke. Ob der Einfluss des Experimentalfilms bei seinen eigenen Regiearbeiten sichtbar wird, mag er nicht beurteilen. „Aber er ist auf jeden Fall vorhanden.“ Sein Debütfilm, der als 30-Minüter konzipiert war, bis Petzke feststellte, dass seine Geschichte 45 Minuten beansprucht, wurde mit Godards „Außer Atem“ und Linklaters „Before Sunrise“ verglichen. Was beides nicht so recht zutrifft – „wie Matrosen“ ist längst nicht so ermüdend geschwätzig wie „Before Sunrise“, und Godards Angebereien, die wichtigtuerischen Spiele mit Zitaten und Posen, gehen Petzke zum Glück vollkommen ab. Er konzentriert sich auf die Schauspieler und ausstatterische Details, inszeniert sowohl mit Blick auf die einzelne Einstellung als auch auf die Gesamtlänge mit traumwandlerisch sicherem Timing und erinnert darin sehr an den frühen Wim Wenders.

Momentan arbeitet Petzke als Regieassistent an der ZDF-Produktion „Mein eigen Fleisch und Blut“ mit Veronica Ferres in der Hauptrolle. Danach geht es an den Schreibtisch, denn er will schnellstmöglich sein quasi zweites Debüt in Angriff nehmen und seinen ersten abendfüllenden Film abliefern.

„Wie Matrosen“ läuft am Montag, 26.7., im Rahmen des „Kleinen Fernsehspiels“ um 0.25 Uhr im ZDF

Wortschätzchen

Aus der „Berliner Zeitung“ erfahren wir anlässlich der Deutschlandpremiere der US-Serie „Cougar Town“: „Einen Begriff für ältere Männer, die mit jungen Frauen zusammen sind – so etwas soll ja auch schon vorgekommen sein – , sucht man deshalb vergebens.“

Da hat man vielleicht einfach an der falschen Stelle gesucht. Das altmodische Lexikon hilft weiter: „Sugar Daddy“ lautet der gewünschte, schon seit Jahrzehnten gebräuchliche Terminus.

„Ich habe mir den Namen gemerkt, weil ich den so gut fand“

Synchronsprecher Bernd Rumpf über seine Arbeit an der Kultserie „Nummer sechs“

In „Star Wars“ spricht Liam Neeson mit seiner Stimme. Er lieh sie George Clooney in „From Dusk Til Dawn“ und Alan Rickman in den „Harry Potter“-Filmen. Bernd Rumpf ist Synchronautor, –regisseur und –sprecher, als Schauspieler sieht man ihn auf renommierten Bühnen in Deutschland und der Schweiz, er gibt aber auch Stippvisiten beim Fernsehen und gastiert in Serien wie „Balko“ oder „Küstenwache“. Rumpfs jüngste Synchronarbeit waren vier Folgen der britischen Kultserie „Nummer sechs“, die bei der Erstausstrahlung im Jahr 1969 ausgelassen worden waren. Der Kultursender Arte nahm die Serie im Rahmen des Themenschwerpunkts „Summer of the 60s“ ins Programm, wobei außer Frage stand, erstmals den kompletten Zyklus zu zeigen. Bei der Bearbeitung galt es die Herausforderung zu meistern, die Unterschiede zwischen den neu zu synchronisierenden Episoden und den vorliegenden möglichst gering ausfallen zu lassen. Den wichtigsten Part, den der von Patrick McGoohan gespielten Titelfigur „Nummer sechs“, übernahm Bernd Rumpf, der seinem Vorgänger Horst Naumann stimmlich erstaunlich nahekommt. „Ein Glücksfall“, wie die Beteiligten übereinstimmend äußerten.

Wie mir erzählt wurde, kannten Sie die Serie „Nummer sechs“ schon, bevor Sie als Sprecher für die Bearbeitung von vier bislang nicht synchronisierten Folgen engagiert wurden.

Rumpf: Ich habe „Nummer sechs“ 1972 gesehen. Meine Frau und ich waren frisch verheiratet und beide in Augsburg am Theater engagiert. Während der Olympischen Spiele wurde „Nummer sechs“ gezeigt. Ich nehme an, im ZDF war das. Und was mich jetzt überrascht hat – ich habe mir einige der Folgen ganz oder zumindest teilweise anschauen können, die nachsynchronisiert werden mussten – war, dass ich es immer noch sehr aktuell fand. Also die Darstellung einer, sagen wir mal, scheindemokratischen Gesellschaft, in der sich nichts bewegt, wechselnde Mehrheiten da sind, nach wie vor aber anonyme Führer, gegen die man nicht ankommt. Und sehr aktuell das Verlangen nach „Information“, das ja kaschiert ist dadurch, dass „Nummer sechs“ irgendein Geheimnis haben soll. Wobei es aber nur darum geht, dass man gar keine Geheimnisse haben darf. Ich fand es sehr toll. (lacht) Und ich habe den McGoohan immer sehr gemocht als Schauspieler.

Aber Sie haben ihn vorher nicht gesprochen?

Rumpf: Nein. Ich habe ja erst 1987, 88 angefangen zu synchronisieren.

Er hat ja auch Kinofilme und US-Fernsehproduktionen gemacht. Deshalb hätte es sein können …

Rumpf: Neulich wurden abends alte Folgen wiederholt von „Columbo“. Und da war vor ein paar Wochen eine Folge, wo er Regie geführt hat. Ich habe natürlich nicht alles sehen können, aber ich weiß noch, dass ich gedacht habe, ach Gott ja, der gute McGoohan. (lacht) Wie bei Liam Neeson, den ich ja nun regelmäßig spreche, habe ich mir den Namen gemerkt, weil ich den so gut fand.

Ist es nicht drollig, dass Sie bei dieser Vorgeschichte zu McGoohans Stimme wurden? Denn der Tipp ging ja offenbar auf die Fans der Serie zurück …

Rumpf: Das habe ich gar nicht mitbekommen. Es war sehr eilig, es war von meiner Zeit her äußerst knapp, und ich war froh, dass das unterzubringen war, weil ich das natürlich wahnsinnig gerne machen wollte. Wobei ich übrigens sagen muss, dass ich eine große Hochachtung habe vor dem Kollegen Horst Naumann, der ihn damals synchronisiert hat. Das möchte ich doch auch bitten zu vermerken.

Wie ich von den Beteiligten gehört habe, hat sich Horst Naumanns Stimme doch so verändert, dass es aufgefallen wäre …

Rumpf: Ich habe sowas vor ein paar Jahren mal gemacht. Es gibt, wenn Sie sich erinnern, noch so eine ganz urtümliche Fernsehserie, „Mondbasis Alpha 1“. Da sind auch einige Folgen nicht synchronisiert gewesen. Da wurde ich auch vorgeschlagen und habe dann die restlichen Folgen gesprochen. Lustigerweise wurden aus jeder Folge – ich glaube, das ist bei dieser Serie auch der Fall gewesen – aufgrund der unterschiedlichen Sendegefäße der USA und des ZDF aus diesen Folgen einige Minuten herausgeschnitten, weil die zu lang waren. Man hat sich natürlich bemüht, Stellen zu schneiden, wo kein Dialog war, aber ich weiß noch, dass wir damals in etlichen Folgen Dialoge sehr sorgsam angleichen mussten, damit man möglichst nicht merkt, dass jetzt eine andere Stimme kommt.

Da ist damals viel Schindluder getrieben worden …

Rumpf: Wenn man überlegt, dass ja Jahre, wenn nicht Jahrzehnte lang eine Fassung von „Casablanca“ durch deutsche Kinos gegeistert ist, bei der man sich fragte, um was es da eigentlich geht, weil jeder Hinweis aufs Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg sorgfältig getilgt war.

Schauen Sie sich den Rest von „Nummer sechs“ noch an?

Rumpf: Das werde ich tun. Ja! Ich werde mich bemühen herauszufinden, welche Folgen das nun sind, die ich neu synchronisiert habe … (lacht) Ich werde wahrscheinlich nicht alle sehen können, werde mich aber bemühen, die meisten aufzuzeichnen. Vielleicht ist Arte auch so freundlich und schickt mir ein Päckchen. Es war kurz vor meinen Ferien sehr aufreibend, das noch zu machen, und ich habe mich darum gar nicht mehr kümmern können.

Es ist schon interessant, gerade unter Aktualitätsgesichtspunkten, die Serie einmal von vorne bis hinten zu schauen. Auch unter dem Stichwort Freizeitgesellschaft. Weil die sind ja alle guter Dinge in dem Ort …

Rumpf: Ich habe natürlich nicht mehr alles vor Augen, ich habe nur ein bissel reinschauen können, aber ich erinnere mich noch an einen interessanten Topos, der sehr viel in amerikanischen Krimis auch stattfindet: Die Hauptfigur hat ja immer wieder zarte Annäherungen an das andere Geschlecht. Und jedes Mal stellt sich heraus, das war ein Irrtum, und es wird jedes Mal eigentlich unterschwellig erklärt: sich menschlich zu öffnen, birgt große existenzielle Gefahren in sich.

Wobei das auch schon als Misogynie ausgelegt worden ist …

Rumpf: Glaube ich gar nicht mal. Ich habe jetzt sieben Jahre lang die Synchronbücher der Serie „Cold Case“ geschrieben und Regie gemacht. Und da wird zum Beispiel immer bei den Verhören am Schluss – es endet ja in der Regel, in 99 Prozent aller Fälle, mit einem Geständnis – dem Schuldigen so menschlich eine Hand gereicht. Also immer dann, wenn an die Menschlichkeit appelliert wird, dann zieht sich die Schlinge zu. Finde ich eine hochinteressante und natürlich etwas fragwürdige Geschichte. Ich glaube nicht, dass es dem McGoohan so ungeheuer bewusst gewesen ist. Und es passt ja auch in die allgemeine Story, weil es letzten Endes um eine diktatorische Gesellschaft geht, was natürlich Erinnerungen an alle möglichen Spitzeleien in allen uns bekannten Diktaturen zur Folge hat. Aber ich finde das ganz interessant. Immer dann, wenn es um Sich-öffnen, um Liebe, um Verständnis, um Solidarität geht – da wird es ganz gefährlich.

Interessant ist ja auch vor dem Hintergrund des Kalten Krieges, dass er diese Fronten aufbricht. Die eigenen Leute, der britische Geheimdienst, sind nicht besser als „die anderen“, hinter denen wir den Ostblock vermuten dürfen.

Rumpf: Wobei ich vor allen Dingen auch interessant finde, dass damals diese eine Folge ausgespart worden ist, die an sich vom Verständnis die komplizierteste ist, wenn er als sein eigener Doppelgänger auftritt, um sich selbst zu verunsichern.

Das passte in die Zeit. Das hielt man sicherlich für zu komplex.

Rumpf: Es vermittelt dieses „bitte nicht vor den Kindern“ … (lacht)

Man muss diese ausgesparten Folgen eigentlich gesehen haben, auch weil sie noch so einiges über die Hauptfigur vermitteln.

Rumpf: Das finde ich auch. Ich kann mir vorstellen, dass die jetzigen Wiederholungen ziemlichen Anklang finden.

„Nummer sechs“, ab 24.7. samstags gegen 22.00 Uhr auf Arte; Wiederholungen ab August im Vorabendprogramm

(Das Interview wurde für die Veröffentlichung gekürzt und leicht bearbeitet.)

Zwei Mal die Sechs

Ab kommenden Samstag bringt Arte erstmals seit langer Zeit die britische Kultserie – hier darf man diesen Begriff füglich verwenden – „Nummer sechs“ zurück auf den Bildschirm. Mitentworfen und wesentlich gestaltet wurde sie von Patrick McGoohan, der visionär Teleüberwachung, die einlullenden Mechanismen der Freizeit- und Spaßgesellschaft, Psychofolter, Scheindemokratie vorwegnahm und seine kritische Haltung in einen 17-teiligen bizarren Agenten-Thriller mit dystopischen Zügen kleidete. Es beginnt mit dieser sagenhaften Vorspannsequenz, in der der von McGoohan verkörperte Held ein Gebäude im Londoner Regierungsviertel ansteuert, seine Demission auf den Tisch knallt und heimfährt zum Buckingham Place 1, um Reisevorbereitungen zu treffen. Doch ein hagerer Bursche in Bestatterkluft lässt unbemerkt Gas in die Wohnung strömen. Der Held verliert das Bewusstsein, erwacht unbestimmte Zeit später, glaubt sich anfangs noch in der heimischen Umgebung, doch ein Blick aus dem Fenster belehrt ihn eines Anderen: statt auf Londoner Hochhäuser schaut er auf eine Art Feriendorf. Rasch lernt er die örtlichen Gegebenheiten kennen. Mit ihm leben in der kleinen Kolonie sehr zufriedene und selig lächelnde Menschen. Sie werden mit allem versorgt, vertreiben sich die Zeit und dürfen gelegentlich wählen. Nur eines ist ihnen nicht möglich: den Ort zu verlassen. Statt Namen tragen sie Nummern, der Held bekommt die Nummer sechs. Die Herrschaft über das Ganze hat Nummer zwei. Ihm (oder ihr) obliegt es, Nummer sechs zu brechen, damit er sein Wissen preisgibt. Nummer sechs widersetzt sich. Sein in jeder Folge an den Anfang gestelltes Credo: I am not a number!!

Vergangenen Samstag startete auf ProSieben die Spielshow „Solitary – Besieg dich selbst!“. Darin begegnen neun mehr oder minder prominente Teilnehmer der Herausforderung, neun Tage lang isoliert in karg ausgestatteten Waben zu leben. Zwischenzeitlich müssen sie unterschiedliche Aufgaben bewältigen, die aus dem Handbuch des CIA für Psychofolter stammen könnten. Gleich nach Erstbezug der Kapseln wurde den Kandidaten von einer angeblichen Computerstimme, die ganz nach der Schauspielerin Karin Giegerich klingt (falsch geraten – es handelt sich um Claudia Urbschat-Mingues; Danke an „Lady Jane“ für den Hinweis), klargemacht, dass sie sich fortan nur noch mit ihrer Teilnehmernummer melden dürfen.

Eine Nummer sechs gibt es auch. Es ist die sportive ProSieben-Moderatorin Funda Vanroy.

Misere

Hier wird noch einmal sehr treffend zu gegenwärtigen Missständen im Journalismus Stellung bezogen. Ergänzend sei noch angemerkt: Es gibt bereits Redakteure, die angesichts streng reglementierter Etats schon gar keine qualitativen Beiträge mehr erwarten. Hauptsache, ein Thema ist abgedeckt, der Redaktionsplan irgendwie erfüllt. Es zahlt sich für freie Mitarbeiter folglich gar nicht aus, hochwertige Arbeiten – selbst recherchiert, nicht aus Pressemitteilungen abgeschrieben, stilistisch ohne Mängel und im Idealfall sogar originell formuliert – abzuliefern, weder über das konkrete Einzelhonorar noch indirekt, indem man beispielsweise auf lukrativere Zusatzaufträge hoffen dürfte. Ähnliches begibt sich übrigens auch auf dem Gebiet der Fotografie.

Manche Redakteure immerhin ahnen es, an den verantwortlichen Herausgebern aber geht eine Erkenntnis offenbar vollends vorbei: Die gedruckte Zeitung macht sich auf diese Weise eher kurz- als mittelfristig restlos überflüssig. Denn warum sollte jemand Geld für eine Zeitung ausgeben, wenn er banalen Dreigroschenjournalismus im Internet kostenlos en gros beziehen kann? Keine Frage, es gibt auch gute Beiträge im Web, aber die stammen eben selten aus klassischen Publikationszusammenhängen, sondern werden auf andere Weise finanziert. Für freie Journalisten gibt es dort auch nichts zu verdienen. Damit geht ein wichtiges Tätigkeitsfeld, eine wesentliche Säule der kritischen Öffentlichkeit, über kurz oder lang verloren.

Gegenrechnung

Fast käme man in Versuchung, die „Bild-Zeitung“ zu loben. Was aber nur am Versagen der übrigen Medienseiten liegt. Gerade jene, die ansonsten jede echte oder vermeintliche Gebührenverschwendung öffentlich-rechtlicher Sender zornbebend anprangern, sehen derzeit vornehm darüber hinweg, dass das Engagement des RTL-Zugpferds Günther Jauch durch die ARD doch ein wenig teurer wird als behauptet. Der ARD-Vorsitzende und SWR-Intendant Peter Boudgoust hatte bekanntlich zum Besten gegeben: „Wir bieten dem Großmeister der journalistischen Unterhaltung ein Programmumfeld, das seinen Fähigkeiten entspricht. Und den Gebührenzahler kostet seine Verpflichtung keinen Cent mehr.“

Das mit dem Großmeister steht ja nun sehr in Frage, der angeblich kostenneutrale Transfer nicht minder. Die „Bild“ hat die Produktionskosten der geplanten Jauch-Sendung ermittelt und meldet mit 4487,18 Euro pro Minute  einen neuen Spitzenwert im Bereich der Talkshow-Herstellung.

Theoretisch, als böswillige Luftbuchung sozusagen, könnte man die Kostenaufstellung sogar noch erweitern. Wenn nämlich, wie es ja versprochen wurde, Anne Will einen neuen Sendeplatz erhält, sind künftig zwei Produzenten-Moderatoren statt bislang nur einer zu bezahlen. Was zu höheren Aufwändungen führt, die ohne das Jauch-Geschäft gar nicht entstanden wären.

Ein weiterer bislang unbeachteter Kostenfaktor: Wohl um Günther Jauch den neuen Teilzeitjob zu versüßen, wurde seine Produktionsfirma I & U von der ARD in jüngerer Zeit auffällig oft mit Aufträgen zur Herstellung diverser Unterhaltungssendungen bedacht, und zwar in einem Bereich, der ansonsten in nennenswertem Maße von der Firma First Entertainment bedient wurde. Die First Entertainment GmbH gehört zu 100 Prozent zur Bavaria Film, an der wiederum die ARD-Sender WDR, MDR und SWR die Mehrheit halten. Hätte man statt I & U die quasi hauseigene First Entertainment beschäftigt, wären die Ausgaben zumindest anteilig innerhalb des ARD-Unternehmensbereichs geblieben. Durch die Überweisungen an I & U hingegen fließen die Gebührengelder in voller Höhe ab.

In jedem Fall erweist sich die Indienststellung Günther Jauchs für die ARD als ein teurer Spaß, der sich nicht durch eine besondere Notwendigkeit legitimieren, sondern nur durch gewisse Eitelkeiten der Beteiligten erklären lässt.

Ochsenknecht wird strafversetzt

Gleich als hätte er zu häufig „CSI Miami“ gesehen, steht Hauptkommissar Killmer (Uwe Ochsenknecht) im ersten Bild auf einem Parkdeck hoch über Frankfurt und wickelt in Undercover-Mission ein Drogengeschäft ab, das trotz einer Beinahe-Panne mit einer Festnahme endet. Die Kollegen der Abteilung zollen Beifall, der Chef spricht dem eigenmächtigen Ermittler eine Ermahnung aus. Und hat noch Ärgeres in Petto, als er erfährt, dass Killmer ein Techtelmechtel mit seiner Gattin unterhält.

Heutigentags wird dergleichen nicht mehr per Duell im Morgengrauen ausgetragen, sondern mit einer böswilligen Versetzung geahndet, und zwar nach Monreal – nicht Montreal, wie ein Kollege zunächst freudig missversteht -, ein kleines rheinland-pfälzisches Nest, dessen Ortspolizistin (Diana Amft) mangels Auslastung justament den Wechsel nach Stuttgart beantragt hat. Kaum aber hat der abgebrühte Großstadt-Cop Killmer sich halbwegs eingerichtet, ereignet sich ein Mord. Das ungleiche Paar sieht sich in der Pflicht, geht an die Arbeit und spart dabei nicht an wechselseitigen Sticheleien.

Während sonst diverse Krimis des Ersten Programms ihre Zweit-, Dritt- und Endlos-Auswertung in den Regionalprogrammen erleben, verlief der Weg von „Der Bulle und das Landei“ umgekehrt. Die Krimikomödie erlebte ihre Premiere im Mai im SWR und wandert nun ins Erste. Der Trend zum Regionalkrimi setzt sich also fort. So verfilmte beispielsweise der Bayerische Rundfunk 2009 einen der im Allgäu angesiedelten Kluftinger-Romane; der SWR machte mit namhaftem Personal wie Regisseur Hajo Gies und den Schauspielern Uwe Ochsenknecht und Diana Amft die „Perle des Elztals“ (Eigenwerbung) zum Tatort. Von Gies’ früheren Glanztaten wie den Schimanski-Filmen innerhalb der „Tatort“-Reihe ist hier freilich nicht mehr viel zu spüren. Die nicht sonderlich anspruchsvolle Handlung geht beschaulich, gemütlich und heiter, aber eben nicht witzig, vonstatten. Ochsenknecht und Amft geben ihre Stammrollen zum Besten, in denen sie sich scheint’s recht bequem eingerichtet haben. Wer über Amft als kulleräugige Chaos-Grazie, wie sie sie auch in „Doctor’s Diary“ zum Besten gibt, schmunzeln kann, wird hier bestens bedient. Man könnte sich aber auch die 50er-Jahre-Serie „I Love Lucy“ beschaffen. Der Humor und das Frauenbild waren damals schon recht ähnlich.

„Der Bulle und das Landei“, Mittwoch, 14.7., 20.15 Uhr, Das Erste