Auch die Landesmedienanstalten sind gegen politische Einflüsse nicht gefeit
Im Vorfeld der brisanten Abstimmung vom vergangenen Freitag und auch nachdem der Vertrag des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender auf Betreiben Roland Kochs nicht verlängert wurde, gab es viele Stimmen, die die Einflussnahme politischer Parteien auf öffentlich-rechtliche Anstalten beklagen. Die Gewerkschaft ver.di veröffentlichte namens der dort organisierten Journalisten eine Stellungnahme des Bundesvorsitzenden der Deutschen Journalisten- und Journalistinnen-Union (dju), Ulrich Janßen, in der es unter anderem heißt: „Dieser politische Sündenfall müsse Widerspruch aller Kräfte in der Gesellschaft finden. Konstruktionen, die derartige Übergriffe der Politik ermöglichen, gehören zwingend auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand.“
In dieser Angelegenheit erweisen sich die Gewerkschaften allerdings als inkonsequent, denn in der Vergangenheit wurden an anderer Stelle Eingriffe der Politik sehr wohl gebilligt. Jedoch werden diese Dinge selten mit vergleichbarer öffentlicher Resonanz verhandelt. Schauplatz war die Landesmedienanstalt Niedersachsen (NLM), der unter anderem die Zulassung und Überwachung privater Anbieter und deren Überwachung obliegt. Auch die Landesmedienanstalten sind, wie die Landesrundfunkanstalten der ARD und das ZDF, öffentlich-rechtlich verfasst. Das niedersächsische Landesmediengesetz besagt: „Die Niedersächsische Landesmedienanstalt (…) ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie hat ihren Sitz in Hannover und übt ihre Tätigkeit (…) innerhalb der gesetzlichen Schranken unabhängig und in eigener Verantwortung aus. Staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung dürfen der Landesmedienanstalt nicht übertragen werden.“
Entscheidendes Organ der Landesmedienanstalt ist die Versammlung, die jeweils für eine Periode von sechs Jahren, aus Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen gebildet wird. Soweit das Ideal. Denn je nach Ermessen lässt sich durchaus als politischer Einfluss interpretieren, dass die Landesregierung unter Christian Wulff die Zahl der Mitglieder der Versammlung von 43 auf 25 und damit das dort vertretene gesellschaftliche Spektrum deutlich reduzierte. Seither, so niedersächsische Medienbeobachter mit einem Unterton von Resignation, gibt es in der Versammlung eine Mehrheit von Delegierten, die der Politik der Landesregierung nicht unbedingt kritisch gegenüberstehen.
Allerdings herrscht parteiübergreifende Einigkeit, sofern eine Entscheidung der Versammlung einer Unternehmensansiedlung förderlich ist. Die entsprechenden Abwägungen wurden 2005 exemplarisch am Fall des Verkaufskanals RTL Shop deutlich. Der Mediendienst war über die Programme von RTL und Vox bereits stundenweise zu empfangen, erhielt aber in Niedersachsen zusätzlich einen eigenen analogen Kabelkanal. Unter Medienbeobachtern war es ein offenes Geheimnis, dass die Entscheidung in Zusammenhang stand mit der politisch ausgehandelten Zusage, den bislang noch in Köln ansässigen RTL Shop im Jahr 2006 nach Niedersachsen zu verlegen, dort ein Sendezentrum einzurichten und 50 Arbeitsplätze bereitzustellen. Ein Mitglied der Versammlung bestätigte, dass seitens der Landesregierung darauf hingewirkt wurde, dass dem RTL Shop ein eigener Kabelplatz zugeteilt werde. Während es im Landesmediengesetz doch heißt: Die Mitglieder der Versammlung „sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden.“
Auch eine Gewerkschaftsvertreterin stimmte für die 24-stündige Verbreitung des RTL Shop. Ihr Argument damals: Die Schaffung von 50 Arbeitsplätzen habe Vorrang vor der programmlichen Vielfalt. Eine verständliche, aber doch auch heikle Haltung, wenn hier der politische Einfluss willig akzeptiert, an anderer Stelle, siehe die Absetzung Nikolaus Brenders, aber mit Verve kritisiert wird.
2008 verkaufte RTL seinen Verkaufskanal als Folge fortwährender Verluste. Er heißt seit März 2009 Channel 21. Sitz der Gesellschaft ist immer noch Hannover, der Kundenservice wurde indes in Dortmund angesiedelt. Channel 21 verfügt weiterhin über einen eigenen analogen Kabelsendeplatz in Niedersachsen. Wo es an Verkaufskanälen, zumal unter Berücksichtigung der einschlägigen Fensterprogramme, wahrlich keinen Mangel hat. Hingegen fehlen im analogen Kabel die öffentlich-rechtlichen Sender Hessen, SWR/SR und RBB.
Übrigens: Viele der Zeitungen, die dieser Tage äußere Einwirkungen auf den Rundfunk bekümmert bis empört kommentieren, hielten die Vorgänge bei der NLM seinerzeit für nicht der Rede wert.