Aus der Fantasiewelt in die Wirklichkeit

Szenenfoto.

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Szenen, die einem vertraut vorkommen: Die Einkaufszentren sind beinahe menschenleer, die Menschen tragen Atemschutzmasken, an jeder Fußgängerampel gibt es ein automatisches Desinfektionsgerät.

Justin Marks, der Schöpfer der Urban-Fantasy-Serie „Counterpart“, erwies sich aus heutiger Warte  als erstaunlich hellsichtig. Und als origineller Denker. „Counterpart“ spielt im zeitgenössischen Berlin, das,  wie überhaupt die ganze Erde, vor 30 Jahren in einer anderen Dimension eine Doppelgängerin bekommen hat. Der Kniff erinnert entfernt an China Miévilles Roman „Die Stadt und die Stadt“ (Bastei Lübbe), wobei Miéville seine Geschichte in einem osteuropäisch anmutenden Fantasiestaat ansiedelt.

In der Parallelwelt in „Counterpart“, die nur unter ähnlich schikanösen Umständen wie einst die DDR betreten werden kann, gab es in der Vergangenheit eine Viren-Pandemie, die einen Großteil der Bevölkerung umbrachte. Gewisse Kreise machen die erste Welt für die Seuche verantwortlich. Und planen eine Racheaktion …

Die intensiv wirkende Serie ist mit u. a. Oscar-Preisträger J. K. Simmons, Olivia Williams, Stephen Rea, Ulrich Thomsen, Nazanin Boniadi (bekannt aus „Homeland“) exzellent besetzt. Von deutscher Seite sind Christiane Paul sowie Liv Lisa Fries aus „Babylon Berlin“ dabei. Clever ausgeheckt, vortrefflich inszeniert und ausgestattet, gedreht größtenteils in Berlin mit Studio Babelsberg als Produktionspartner. Derzeit abrufbar bei Videoload, iTunes und Amazon in Deutsch und Englisch, kommissioniert ursprünglich vom US-Abokanal Starz.

„Die Stadt und die Stadt“, als Roman übrigens kongenial ins Deutsche übertragen, gibt es als gleichfalls gelungene Verfilmung unter dem Originaltitel „The City & the City“ als Vierteiler abrufbar bei Maxdome, Google Play, Amazon, iTunes, TV Now, Videoload. Produziert wurde der Vierteiler von der BBC. Die können so was.

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Ungewöhnliche polizeiliche Maßnahmen

Als die Fernsehkritik noch stärker ideologisch geprägt war, wurde den TV-Kriminalfilmen angekreidet, dass sie die gesellschaftliche Wirklichkeit verfälschen. Demnach geriet das Verbrechen auf dem Bildschirm stets zum Sonderfall. Ein temporärer Defekt im System, der von den zuständigen Fachleuten der Kriminalkommissariate innerhalb der vorgegebenen Sendezeit behoben wurde. Die Wirklichkeit sah anders aus.

Falsch waren diese Anwürfe nicht. In den meisten frühen US-amerikanischen Krimiserien kamen die Verbrecher, dieser Vorgabe der Sendeleitungen und Sponsoren hatten sich die Autoren zu beugen, niemals davon. Es sei denn, ihre Taten richteten sich gegen andere Gesetzesbrecher, so wie 1964 in der komödiantischen Serie „Gauner gegen Gauner“ mit den Kinostars David Niven, Gig Young und Charles Boyer oder in „Ihr Auftritt, Al Mundy“ mit Robert Wagner und Fred Astaire.

Längst genießen Drehbuchautoren größere Freiheiten. Allerdings wählen sie weiterhin vorzugsweise die Form der Komödie, als Farce oder Satire, bis hin zum Galgenhumor, wenn Gesetzesbrechern Sympathien zugeschrieben werden. Es mutet wie eine Vorsichtsmaßnahme an, wenn das ZDF im Pressematerial zum Film „Das Gesetz sind wir“ immer wieder herausstellt, dass es sich um eine Komödie handelt.

Den Rest des Textes gibt es hier: https://www.fr.de/kultur/tv-kino/tv-kritik-gesetz-sind-wir-zdf-spannender-polizeikrimi-zr-13612540.html

Rettungsaktion

Unikeller bei Nacht.b

Es gibt derzeit viele Spendenaufrufe, das ist mir klar. Dieser liegt mir am Herzen, weil der Verlust des Osnabrücker „Unikellers“ eine große Lücke reißen würde in das Kulturleben unserer Stadt und darüber hinaus. Wer spendet, trägt nicht nur zur Rettung einer traditionsreichen Gaststätte mit einmaligem Ambiente bei, sondern auch zur Rettung einer unverzichtbaren Auftrittsmöglichkeit für Kulturschaffende aus den Bereichen Musik, Literatur, Bildende Kunst und mehr. Wenn ihr könnt, schickt den Link doch weiter an Personen, die vielleicht derzeit nicht in einer Notlage stecken und eventuell helfen mögen. https://www.gofundme.com/f/rettet-den-unikeller?utm_source=facebook&utm_medium=social&utm_campaign=p_cp+share-sheet&fbclid=IwAR2BXc4yftW5c5S1RSsd6-j6kG_mT2Z-efb6pD6WBWvux08mLIcwNXdepds

Einen Eindruck von der Lokalität vermittelt dieses kleine Filmchen, das eigentlich aus anderem Anlass angefertigt wurde: https://www.youtube.com/watch?v=Ji2Azha0oUk

Die Detektivinnen des ZDF

Mittwochs zeigt ZDFneo derzeit die Serie „Dunkelstadt“ mit Alina Levshin. Auch in der Mediathek sind die sechs Folgen verfügbar. Die Idee klingt ansprechend: Eine junge, allen Regeln und bürgerlichen Lebensweisen abholde Privatdetektivin erledigt in trübem Großstadtambiente ihre jeweiligen Aufträge. Zudem beschäftigt sie der Verdacht, dass ihr Vater, ein Polizist, im Dienst ermordet wurde.

Herausgekommen ist leider nur ein kläglicher Versuch, den Film noir nachzuahmen. Wie einst die Philip Marlowes in den Chandler-Verfilmungen spricht die Detektivin Doro Decker (sic!) das Publikum aus dem Off an. Die läppischen Texte der Erzählerin sind jedoch so dermaßen missraten, dass man sich nur wundern kann, wie die durch die Abnahme gerutscht sind.

Schon 1963, kein Tippfehler, hatte das ZDF eine Serie mit einer Detektivin ausgestrahlt. Der Titel: „Die Karte mit dem Luchskopf“, mit Kai Fischer, die auch die Konzeptidee hatte. Natürlich ist die damals am Vorabend gezeigte Serie handwerklich weit entfernt von heutigen Standard, inhaltlich aber um einiges cleverer als „Dunkelstadt“, und natürlich war sie thematisch – Stichwort Geschlechterrollen – ihrer Zeit voraus.

Die Karte mit dem Luchskopf“ (13 Episoden) gibt es auf DVD und bei Amazon Prime. Nebenbei: Immer wieder mal liest man, „Der Kommissar“ (ab 1968) sei die erste Krimiserie des ZDF gewesen. Richter Henry Bone in „Picket Fences“ hätte es „Geplapper“ genannt. Fürs Protokoll: „Die Karte mit dem Luchskopf“ – 1963!

(Fotos: Pidax)

Es wird enger auf dem Streaming-Markt

Der Streaming-Dienst Disney+ startet in Deutschland mit einem „Star Wars“-Ableger.

Aus dem Vorspann spricht ein gewisser Stolz. Darth Vader, R2-D2, C-3PO erscheinen in stilisierter Form. Figuren des „Star Wars“-Universums, die weltweit zum popkulturellen Bildungsgut gehören. Zitate aus den Kinofilmen wie „Komm auf die dunkle Seite“ gehören heute zum Sprachgebrauch. Die markanten Gestalten sind damit Markenzeichen einer auf Hoch- und Popkultur zugreifenden Mythologie, deren Komplexität bald nur noch mit philologischen Methoden, ersatzweise der Akribie leidenschaftlicher Fans erschlossen werden kann.

Als Außenstehender darf man aber auch einfach Spaß haben an der achtteiligen ersten Staffel der Serie „The Mandalorian“, die zeitlich fünf Jahre nach dem Geschehen des Films „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ angesiedelt ist. Der Mandalorianer, meist Mando gerufen, ist ein Kopfgeldjäger. Einer Tradition seines Volkes gemäß verbirgt er sein Gesicht in der Öffentlichkeit stets hinter einem Helm. Damit und mit seiner martialischen Rüstung ist er selbst im mit gemischten Rassen aus aller Herren Welten bevölkerten „Star Wars“-Kosmos eine auffällige Erscheinung. Wenn er eine Spelunke betritt, drehen sich die Köpfe. Präpotente Rowdys wollen sich mit ihm messen und versuchen ihn zu provozieren.

Es nimmt kein gutes Ende mit ihnen.

Bitte hier weiterlesen: https://www.fr.de/kultur/tv-kino/the-mandalorian-kopfgeldjagd-weit-draussen-universum-13608873.html

Britische Qualitätsware

Wieder einmal bietet der Spartensender ZDFneo erstklassige Serienunterhaltung aus Großbritannien.

Das Publikum anspruchsvoller Serien muss nicht unbedingt kostenpflichtige Anbieter buchen. Öffentlich-rechtliche Mediatheken sorgen kostenlos für anregende Fernsehstunden. Das ZDF beispielsweise hat über Jahre hinweg immer wieder Qualitätsware in Großbritannien eingekauft, wo sich auch Streaming-Anbieter gerne eindecken. Krimifreunde finden derzeit in der Mediathek von ZDFneo empfehlenswerte Produktionen wie „Line of Duty“, die Spielfilmfortsetzung „Verräter in den eigenen Reihen“ zu der ungewöhnlichen Agentenserie „Spooks“ mit „Game of Thrones“-Star Kit Harington, den Vierteiler „From Darkness“ und vorneweg die dritte Staffel von „Broadchurch“, eine Serie, die schon mit der ersten Staffel Maßstäbe gesetzt und mit der dritten nochmals übertroffen hat.

Mehr dazu hier: https://www.fr.de/kultur/tv-kino/tv-kritik-the-bay-zdfneo-bucht-luegen-zr-13597685.html

Leise tönt das Todesglöckchen

Habe gerade bei faz.net wieder eine dieser journalistischen Denksportaufgaben entdeckt. Am 3.3.2020 hieß es dort in einer Einleitung: „Beim Grimme-Preis zeigt sich, dass die Tage des linearen Fernsehens gezählt sind. Denn einige wichtige Preise gehen an Streamingdienste.“ Lesen wir weiter.

„Einige wichtige Preise“ sind in Zahlen ausgedrückt drei von sechzehn. In Ziffern: 3. Zwei gehen an Serienproduktionen, einer an ein Unterhaltungsformat. Alle Preise im Bereich Kultur & Information sowie Kinder & Jugend – in den Augen von FAZ-Autoren offenbar eher unwichtig – bleiben beim linearen öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Da dessen Tage laut faz.net gezählt sind – müssen wir demnächst auf qualitative und auszeichnungswürdige Informations- und Kindersendungen verzichten? Oder helfen Netflix, Amazon und Konsorten aus? Und wenn ja, was soll’s kosten?