Klimmzug zum Weltniveau

(Anmerkung: Dieser Text wurde ursprünglich für die Reihe „Wochenendkrimi“ der taz geschrieben, dort aber entstellt publiziert. Hier das Original:)

Da in letzter Zeit die Zahl der Experten für serielles Erzählen sprunghaft angestiegen ist, welche deutschen Fernsehschaffenden erklären, warum deren Serien nichts taugen, ist es schon allein aus marktstrategischen Gründen an der Zeit, antizyklisch zu argumentieren. Glücklicherweise wird das Vorhaben empirisch bestärkt: Die ZDF-Serie „Der Kriminalist“ erreicht zuweilen das Niveau britischer Spitzenproduktionen. Die Samstagsreihe „Kommissarin Lucas“ war immer schon gut, müsste allerdings häufiger ausgestrahlt werden, um als Fortsetzungsgeschichte zu funktionieren.
Das gilt auch für den Neuzugang „Kommissarin Heller“. 2014 werden nur zwei Filme mit Kommissarin Winnie Heller (Lisa Wagner) und ihrem Kollegen Hendrik Verhoeven (Hans-Jochen Wagner), die Romanen von Silvia Roth entstammen, gezeigt. Schade, weil man den Figuren gern auf den Fersen bleiben würde. Der erste Film führt sie zusammen. Heller hat sich zurück nach Wiesbaden versetzen lassen, um näher bei ihrer im Koma liegenden Schwester zu sein. Ein Handlungsmoment, das an die Anfänge von „Kommissarin Lucas“ erinnert. Die beiden Ermittler bekommen mit zwei Fällen zu tun. Ein Sonderling hat, was er gleich bekennt, seine Frau ertränkt. Kurz zuvor war ein kleines Mädchen unter den Augen der Mutter verschwunden.
Aus dieser Grundkonstellation entwickelt sich eine Handlung mit vielen feinen Beobachtungen und knappen, aber gewitzten Dialogen. Als Grundierung dient das Thema Eltern-Kind-Beziehung, breit aufgefächert, von Missbrauch bis Überbehütung.
Nicht zuletzt bezieht der Film seine Kraft aus der exzellenten Fotografie. Mit vollem Recht verzeichnet der Vorspann Hannes Hubach nicht als Kameramann, sondern als Bildgestalter. Murren freilich werden jene, die die Güte eines TV-Krimis danach bemessen, ob in den ersten Minuten ein Opfer verbrannt, gepfählt oder halbiert wird. Dergleichen gibt es diesmal nicht. Lobenswert.

„Kommissarin Heller: Tod am Weiher“, ZDF, 12.4.2014, Samstag, 20.15 Uhr

 

Nachträge (aus Platzmangel nicht in der Druckfassung erwähnt):

Anzukreiden ist den Filmschaffenden, dass auch sie wieder einmal die Schauspielerin Johanna Gastdorf in der Rolle einer Schmerzbeladenen besetzten. Wer wagt es und lässt die Aktrice mal etwas Anderes spielen?

Die beiden Anschlussfehler wurden natürlich nicht übersehen. Einmal blättert Winnie Heller in einer Art Tagebuch und trägt dabei Schutzhandschuhe, in der Nahaufnahme aber nicht. Und Anne Ratte-Polle in der Rolle der Yvonne Dahl zieht nach einem Perspektivwechsel die Wohnungstür ein zweites Mal schützend an sich heran, als ihre Mutter sie besucht.

Bei „Kommissarin Lucas“ war es der Ehemann, der im Koma lag.