Formatfernsehen und Fernsehen mit Format

Alle Jahre wieder berichtet die Nachrichtenagentur dpa – selbstverständlich – über die Bekanntgabe der Nominierungen für den „Grimme Preis“ des Deutschen Volkshochschulverbandes. Und noch immer kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man bei dpa das spezielle Prozedere dieses Preises, das ihn von allen anderen Fernsehpreisen unterscheidet, nicht so recht nachvollziehen kann. Anlass für die Vermutung geben Formulierungen, die sich identisch in verschiedenen Zeitungen finden und demnach mutmaßlich auf die dpa zurückgehen.Ein Beispiel: „Im Rennen sind auch altbewährte Formate wie die ARD-Krimireihen ‚Tatort‘ und ‚Polizeiruf 110‘ sowie die Comedyserien ‚Stromberg‘ (ProSieben) oder ‚Pastewka‘ (Sat.1).“

Die Krimireihen „Tatort“ und „Polizeiruf 110“ sind eben gerade nicht als „Formate“ im Rennen, schon allein, weil man bei derart disparaten Reihen gar nicht von einem Format sprechen kann. Es sind vielmehr genau benannte Beiträge mit ebenfalls genau benannten besonderen Qualitäten nominiert worden. Man kann diese Unterschiede dem fachfremden Lesepublikum durchaus verdeutlichen, ohne gleich in sprachliches Wirrwarr zu verfallen. Siehe zum Beispiel hier oder auch hier.

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Hinreißend kratzbürstig

Am 24. Januar bringt Sat.1 mit „Hannah Mangold & Lucy Palm“ den Pilotfilm zu einem weiteren Eigenformat an den Start. Vor allem wer etwas für kesse Frauen übrig hat, wie sie mit Conny Mey (Nina Kunzendorf) endlich ja auch im „Tatort“ angekommen sind, sollte hier einschalten – und hoffen, dass aus dem Versuchsballon die bereits in Vorbereitung befindliche Reihe wird. Es gibt da eine Fülle an Szenen, die schon jetzt die Vorfreude schüren. So wenn Lucy Palm (Britta Hammelstein) nach Dienstschluss heimkommt und am Fuß der Treppe einen Bundeswehrangehörigen antrifft, mit dem sie eine Nacht verbracht hat und der die Beziehung nun gern vertiefen möchte. Aber Palm ist nicht interessiert: „Pass auf, Gefreiter. Das war wirklich eine nette Nacht. Aber jetzt im Gleichschritt aus meiner Haustür, ja?!“

Klasse. Eine tolle Rolle für die versierte Theatermimin Britta Hammelstein, die sie exzellent, völlig frei von theatralischem Pathos, interpretiert. Palms selbstbewusste Patzigkeit und Sprödigkeit ist hinreißend und von eigener Attraktivität. Umso verwunderlicher, dass Hammelstein auf dem Umschlag der Sat.1-Pressemappe per Stylistin oder Computer oder sonstwie zurechtgemacht wurde, als müsse sie demnächst in Heidi Klums Modelcontest schaulaufen. Eigentlich ein Widerspruch …

Mehr zu diesem sehenswerten 90-Minüter, in dem Anja Kling die zweite Hauptrolle spielt und der ohne die gerade modischen Gemetzel á la Mankell auskommt und gerade deswegen große Spannung entwickelt, findet sich unter dem Titel „Die Irre und die Pussy“ im aktuellen „Focus“.

Von inneren und äußeren Gefängnissen – „The Prisoner“ 2011

Für Menschen mit eingeschränkter Aufmerksamkeit und schnellem Finger am Abzug der Fernbedienung ist die Neuinterpretation des Serienklassikers „Nummer sechs“ leider nichts. Wir raten ab, wie es früher im „Katholischen Filmdienst“ immer hieß. Ein bisschen anmaßend, aber nur gut gemeint.

Wer sich aber in positivem Sinne vom Fernsehprogramm in Anspruch nehmen lassen möchte, sollte sich auf diese philosophisch-hintergründige Wanderung durch ein gegenwartsbezogenes Themenrepertoire einlassen. Der Sechsteiler „The Prisoner – Der Gefangene“ startet am Freitag, 13. Januar, um 23.20 Uhr bei ZDFneo. Vorbild ist ein großes Werk der Fernsehgeschichte, „The Prisoner“ (dt. Titel „Nummer sechs“), in wesentlichem Maße erdacht und inszeniert von Patrick McGoohan, der im Original auch die Titelrolle verkörperte. Mehr dazu findet sich in der heutigen Ausgabe des „Focus“, Seite 112. Und ganz ausführlich mit umfassendem Hintergrundwissen und analytischem Scharfsinn unter http://www.match-cut.de./ Hier nur ein paar Bonusfakten:

– Die Außenaufnahmen zur Originalserie wurden im walisischen Arkadien Portmeirion gedreht, die Neuauflage in Südafrika und in der namibischen Wüste nahe Swakopmund, wo auch Teile von Roland Emmerichs „10.000 B.C.“ entstanden.

– Hauptdarsteller der neuen Version ist Jim Caviezel, bekannt unter anderem aus Mel Gibsons Kasteiungsorgie „Die Passion Christi“. Caviezel und Patrick McGoohan, der immerhin als Darsteller des weltgewandten Geheimagenten John Drake in der TV-Serie „Danger Man“ bekannt wurde, haben eines gemeinsam: Wie McGoohan zu Lebzeiten, weigert sich auch der strenggläubige Caviezel, vor der Kamera intime Liebesszenen zu spielen.

– Zu Caviezels Partnerinnen in „The Prisoner“ gehört Hayley Atwell, in England ein Star, aktuell in Hollywood tätig und auch dem deutschen TV-Publikum nicht unbekannt: Als Aliena war sie in „Säulen der Erde“ zu sehen.

– Ebenfalls zum Ensemble zählt Ruth Wilson, die jüngst eine Glanzvorstellung in der ebenfalls bei ZDFneo ausgestrahlen Krimiserie „Luther“ ablieferte – als Elternmörderin, die dank ihrer hohen Intelligenz unbehelligt bleibt und stattdessen nach allerlei Wendungen zur Vertrauten des titelgebenden Ermittlers wird. Derart gewagte Konstellationen würde man gern auch mal in deutschen Krimis sehen. (Nachtrag am 13.1.: „Luther“-Hauptdarsteller Idris Elba wurde für seine darstellerische Leistung in dieser Rolle für einen „Golden Globe“ nominiert. Verdientermaßen. Nachtrag am 16.1.: Elba hat in der betreffenden Kategorie gewonnen. Bravo!)

– Ursprünglich sollte Patrick McGoohan selbst die Rolle jenes alten Mannes spielen, der in der Wüste zu Tode gehetzt wird. McGoohan soll dies abgelehnt haben; er starb noch während der komplizierten Vorbereitungen des Projekts. Dafür gibt es eine bemerkenswerte Reminiszenz: Die Wohnung des alten Mannes gleicht bis ins Detail – siehe die Lavalampe – derjenigen, die „Nummer sechs“ in der Originalserie bewohnte.

– Unbedarfte Zuschauer dürften sich über den mannshohen weißen Hüpfball wundern. Auch dabei handelt es sich um eine Reverenz: Im Original-„Village“ war der ferngesteuerte „Rover“ ein probates Mittel, um Fluchtversuche zu unterbinden – er konnte seine Opfer sowohl betäuben als auch töten. Ein unheimliches Gerät mit ikonischem Charakter, das vielen Zuschauern der ersten Ausstrahlung – dazu zählt auch der für den Ankauf der Neuauflage zuständige ZDF-Redakteur Klaus Bassiner – in Erinnerung geblieben ist.