Ramschware

Beim Medienforum in Köln haben führende Vertreter des Zeitungswesens erneut das altbekannte Mantra angestimmt, wonach Qualitätsjournalismus nicht umsonst zu haben sei.

Stimmt schon. Nur leider vergessen sie das selbst immer wieder, wenn es nämlich um die Bezahlung der Qualität schaffenden Urheber geht. Zwei Beispiele aus der Wirklichkeit: Recherchen, Interview, Konzertbesuch, Abfassen der Rezension summieren sich auf cirka neun Stunden Arbeitszeit. Das Honorar beträgt 45 Euro. Nachverhandlungen zwecklos, es wird pauschal bezahlt.

Oder: Drei Tage Arbeitsaufwand für Recherchen und Niederschrift, nicht gerechnet das eingebrachte Fachwissen und die über Jahre hergestellten Kontakte, die in diesem Falle nötig und hilfreich waren, werden im Endeffekt mit 85 Euro inklusive Mehrwertsteuer abgegolten. Die angefallenen Kosten muss der Autor natürlich selber tragen.

Wen wundert’s, dass so manche Kollegen ihren Arbeitseinsatz in Grenzen halten. Wer noch ordentliche Texte abliefert, wird zum belächelten Deppen. Einigen Zeitungen merkt man diese Entwicklung ja auch bereits an.

Von den neuerdings sehr ruppigen Umgangsformen im Metier mal ganz zu schweigen. Dann doch lieber Paketfahrer oder Inventurhelfer. Aber die werden gerade leider auch nicht gesucht.

Backstein, Bier und bunte Vögel

Jever, Schloss (© Harald Keller)

Jever, Schloss (© Harald Keller)

Die Friesenmetropole Jever lockt mit einer pittoresken Altstadt und einem reich bestückten Schlossmuseum

Die Wahrzeichen der Stadt Jever ragen hoch übers Land. Schon von ferne weisen sie den Weg und dienen auch während des Aufenthaltes in den historischen Mauern der Orientierung. Zur markanten Silhouette gehören die verspiegelten Gärtürme der über Friesland hinaus bekannten örtlichen Brauerei sowie der klinkerfarbene Turm der evangelischen Kirche. Daneben grüßt die barocke Haube des wuchtigen Rundturms im Hof des historischen Schlosses.

Das aus einer mittelalterlichen Wehrburg hervorgegangene, mehrfach umgebaute Schloss, in dem erst freiheitsliebende friesische Häuptlinge, später adlige Herrscher residierten, beherbergt heutigentags das Schlossmuseum. Ein lohnendes Ziel nicht zuletzt für Gäste der umliegenden Küstenbadeorte, wenn mal ein Schlechtwettertag den Strandbesuch verleidet. Der Rundgang vom Kellergewölbe bis zum Dachgeschoss gleicht einem Spaziergang durch die Vergangenheit, der von der mittelalterlichen Landes- und Kirchengeschichte über prunkvolle Herrschersuiten bis in die jüngste Vergangenheit führt. Neben Präsentationen hauseigener Sammlungen zu Themen wie Keramik, Mode der Rokkoko- und Biedermeierzeit, historischem Mobiliar und Wandschmuck bietet das Schlossmuseum Raum für wechselnde Ausstellungen. Als wahrer Besuchermagnet hat sich das Schwerpunktprojekt „Break on through to the other side“ erwiesen. Um die 100.000 Zuschauer haben die Ausstellung seit September 2007 bereits besucht, wegen der anhaltenden Nachfrage wurde die Schau gerade erst ein weiteres Mal verlängert.

Aus organisatorischen Gründen befindet sich die etwas verkleinerte Ausstellung mittlerweile im obersten Stockwerk. Den Weg dorthin säumen historische Kinderspielzeuge, darunter auch eine Laterna Magica, ein Thaumatrop, eine Wundertrommel. Allesamt Apparate, die Formen und Farben in Bewegung setzen, die das Augenlicht ansprechen und den Sehsinn verwirren. Eine passende Ouvertüre für eine Ausstellung über die Tanzsäle, Diskotheken und Underground-Clubs der 60er-, 70er- und 80er-Jahre, in denen Farb- und Lichtspiele spätestens mit Aufkommen der psychedelischen Musik zum Standard gehörten.

Anhand von Requisiten, Fotos und Schriftstücken wird die Geschichte ausgewählter Musikclubs zwischen Norddeich und Osnabrück dokumentiert. Aber man muss nicht zwingend das Weser-Ems-Gebiet zur Heimat haben, um Gewinn aus dieser Ausstellung zu ziehen. Denn ähnliche Entwicklungen vollzogen sich auch in anderen Regionen der Bundesrepublik: Traditionelle Ausflugslokale und Dorfgasthäuser, die ihr Stammpublikum verloren hatten, begannen zu Beginn der 1960er-Jahre auf die Jugend zu setzen. Beat- und Show-Bands wurden engagiert, manchmal, wie im Norddeicher „Haus Waterkant“, gleich für mehrere Wochen. In Mehrzweckhallen fanden Länder- und Talentwettbewerbe statt. Zu gewinnen gab es Tournee- oder Plattenverträge – ähnlich wie heute in den Castingshows.

Einige Jahre später wurden die Bühnenmusiker durch Discjockeys ersetzt, die nicht einfach nur Charts-Erfolge abspulten, sondern individuelle Programme zusammenstellten und in einer Zeit, in der Jugendsendungen in Hörfunk und Fernsehen noch rar waren, auch als Entdecker und Vermittler neuer Bands und Sounds fungierten. In der parallel zur Ausstellung entstandenen Filmdokumentation „Zu laut, zu dunkel, to düür“ erinnert sich der ehemalige Discjockey Otto Sell, wie zum ersten Mal der harte Bluesrock von AC/DC aus den gewaltigen Boxen des „Tiffanys“ dröhnte. Emil Penning, der Inhaber, hatte die Platte aus England mitgebracht. Bis dahin war die australische Band mit dem seltsamen Namen völlig unbekannt gewesen. Emil Penning lebt heute in einem Seniorenwohnheim – Kopfhörer, Mischpult und Lichtorgel noch immer in Reichweite neben seinem Ohrensessel.

In der Ausstellung wird die Zeit der – nicht nur – musikalischen Entdeckungen und Neuerungen wieder lebendig. An einer Konsole können bislang unveröffentliche Musikstücke damaliger Beatbands abgehört werden; auf einem Band-Foto der Rustlers entdeckt man das junge Bandmitglied Otto Waalkes. Eine psychedelische Lightshow nebst passender Musik weckt ebenso Erinnerungen an die farbenfrohen Sechziger wie die ausgehängten Plattencover und die ausgestellte Mode, vom blumig ornamentierten Mini-Rock aus der Londoner Carnaby Street über das schlanke Hippie-Kleid mit ausgefallenen Flatterärmeln bis zur plüschigen Patchwork-Jacke.

Die Geschichte der Jugendkulturen ist als Hintergrund stets präsent. Und lässt ein ums andere Mal schmunzeln, wenn man beispielsweise erfährt, dass sich die einst so verrufenen „Halbstarken“ ordnungsgemäß und nach alter Väter Sitte in Vereinen organisierten. Zahlreiche Fotos und Dokumente wie Künstlerverträge und Offerten für technische Ausstattungen der Diskotheken gewähren einen Einblick hinter die Kulissen des Amüsierbetriebs. Die Hits der Underground-Ära zünden übrigens noch immer: Die auf dem Schlossvorplatz abgehaltenen langen Nächte mit mehreren DJ-Veteranen ebenso wie eine verwandte Veranstaltungsreihe in Restrup im Osnabrücker Land lockten Publikum aus Nah und Fern.

Schwindelfreie sollten nicht auf die Ersteigung des Schlossturms verzichten, der bei gutem Wetter eine Aussicht bis zu den friesischen Inseln gewährt. Und wer nach den vielen Sinneseindrücken ein wenig Entspannung benötigt, ist im behaglichen Schlosscafé bestens aufgehoben. Wenngleich sich der Gast hier vor schwere Entscheidungen gestellt sieht: Apfeleierlikörsahnetorte oder Pistazien-Mohnsahnetorte? Punsch-Tee „Maria“ oder „Klönschnack-Tee“? Vielleicht ein exotischer „Sencha Lemon“?

Schlosscafé (© Harald Keller)

Schlosscafé (© Harald Keller)

Neben dem Schloss und seinem von zutraulichen Pfauen bewohnten Parkgelände hält Jever weitere Sehenswürdigkeiten bereit. Es empfiehlt sich, einen der kostenlosen Parkplätze an der Peripherie zu nutzen. Eine Wanderung rund um die von Grünanlagen und Graften begrenzte alte Innenstadt bietet zahlreiche pittoreske Einblicke. Zudem lohnt es sich, die Altstadt nicht entlang der Einkaufsstraßen zu durchqueren, sondern im Zickzack durch Straßen und Gäßchen zu schlendern. Hie und da allerdings begeht Jever Frevel wider seine Reize. Beschauliche historische Häuserzeilen sind mit PKW zugeparkt; Schilderbäume verstellen die Sicht, so beispielweise auf die frühere Konzerthalle am Alten Markt, hinter deren schmucker historischer Fassade sich heute eine kleine Ladenpassage verbirgt.

Nicht nur für Freunde des Gerstensaftes eignet sich die cirka zweistündige Führung durch die Produktionsstätten der Brauerei und das betriebseigene Braumuseum. An der Schlachte kommen Kinder zu ihrem Recht und können unter anderem auf einem Spielschiff herumklettern. Oder den Klabautermann spielen …

Details und Wissenswertes zu einzelnen Gebäuden und Denkmälern erfährt man unter dem Stichwort „Sehenswürdigkeiten“ unter http://www.stadt-jever.de. Unter dieser Adresse finden sich zudem Informationen zur Anreise, Unterbringung und zu aktuellen Veranstaltungen.

Schlossmuseum Jever: geöffnet dienstags bis sonntags von 10.00 bis 18.00 Uhr, montags geschlossen. Ostern und Pfingsten sowie in den Sommermonaten vom 15. Juni bis zum 15. September auch montags geöffnet! Der Schlosspark ist ab 7.00 Uhr morgens, der Schlossturm vom 1. Mai bis zum 31. Oktober von 11.00 bis 17.00 Uhr geöffnet.
Brauhaus Jever (© Harald Keller)

Brauhaus Jever (© Harald Keller)

Sendepause!

Keine deutschsprachigen WM-Übertragungen für die Türkei

Wer sich noch zu Zeiten der Weltmeisterschaft in Richtung Türkei aufmacht und darauf vertraut, dort im Urlaub wie in früheren Jahren die Heimatkanäle ARD und ZDF und damit die aktuellen Fußballspiele via Satellit empfangen zu können, muss sich in diesem Jahr auf eine bittere Enttäuschung einstellen. Den inländischen Sendern ist es aus lizenzrechtlichen Gründen untersagt, die WM-Übertragungen aus Südafrika außerhalb Deutschlands zu verbreiten. Aus diesem Grunde hat das ZDF sein sonst über den Eutelsat-Satelliten Hotbird ausgestrahltes Programm vorübergehend durch den Digitalkanal ZDFneo ersetzt. Nach Ende der Fußball-WM, voraussichtlich ab 13. Juli, soll das ZDF-Hauptprogramm wieder aufgeschaltet werden.

Für die ARD gelten in Sachen Fußballübertragungen die selben Vertragsbedingungen, aber das Erste hat ohnehin den Mietvertrag für den Eutelsat Hotbird gekündigt, dessen Ausleuchtzone auch die Türkei einschloss. Am 8. Juni um 5.30 Uhr, also mit Beginn des neuen Programmtages, wurde die Verbreitung via Hotbird 8 eingestellt. Als Grund nennt die ARD den aktuellen Sparzwang. Im Inland bezögen, so die Programmdirektion des Senderverbunds, gerade mal 30.000 Zuschauer das Hauptprogramm Das Erste via Hotbird 8. Diese Gruppe bleibt aber durch die Rationalisierungsmaßnahme keineswegs unversorgt, sie muss ihre Empfangsgeräte nur neu ausrichten, nämlich auf den Satelliten Astra 1H 19,2 Grad Ost.

Über Astra sind mehrere ARD-Regionalprogramme und Spartenkanäle zu empfangen, ferner Private wie Sat.1, ProSieben und andere und natürlich auch weiterhin das ZDF-Hauptprogramm, digital über Astra 1H und analog über Astra 1L. Astra übrigens deckt weite Teile Südeuropas ab und streift auch noch den nordafrikanischen und knapp den vorderasiatischen Raum. In der Vergangenheit berichteten Zuschauer aus der Türkei und sogar Syrien, dass sie mit Schüsseln mit einem Durchmesser von einem Meter und größer die deutschsprachigen Astra-Programme empfangen können. Und damit zumindest theoretisch auch die Fußballübertragungen von ARD und ZDF.

Eine andere Alternative: Die Landessprache lernen und das Angebot der einheimischen Sender nutzen.

Denksportaufgaben

Unter der Überschrift „Wieso verstehe ich das alles nicht mehr?“ kommentiert Leser „never1“ einen Beitrag der F.A.Z. über die jüngsten Entwicklungen im Fall Doris Heinze wie folgt: „Da betrügt eine ltd. Angestellte ihren AG mit Raffinesse. Fristlose Kündigung ist wohl angemessen (S.Emmely in Berlin). Jetzt bekommt sie dafür noch 90.000€ und das ZDF spricht davon, daß der Schaden beglichen wurde?“

Manche Leser geben sich ja bewusst begriffsstutzig, aber es ist tatsächlich so, dass man etlichen Zeitungsbeiträgen heutigentags keine klare Aussage mehr abgewinnen kann. An anderer Stelle berichtet die F.A.Z. über den NDR-Rundfunkrat, der der Teilzeitbeschäftigung Günther Jauchs sein Plazet gegeben hat: „Jauchs Verpflichtung sei ‚in mehrfacher Hinsicht ein Gewinn: Die ARD hat sich die Zusammenarbeit mit einem der beliebtesten Fernsehmoderatoren sichern können‘, zudem werde das Sendeschema verändert, wodurch die ‚Tagesthemen‘ von montags bis donnerstags eine einheitliche Anfangszeit um 22.15 Uhr erhalten.“

Auch wieder so eine kniffelige Sache: Warum musste erst Günther Jauch von RTL weggelotst werden,  ehe die „Tagesthemen“ auf einen einheitlichen Sendetermin gelegt werden konnten?

Tour d’Europe

Ein schönes Video der wackeren Pedalritter und sanften Revolutionäre The Ginger Ninjas gibt es hier. An diesem Wochenende auch live auf dem Fusion Festival bei Neustrelitz, gemeinsam mit Stitchcraft, Cello Joe und den anderen. Die Verfasser der Web-Seite des Festivals scheinen nicht ganz auf dem Laufenden: Die Musiker waren nicht nur im letzten Jahr, sondern sind noch immer per Fahrrad unterwegs. Und produzieren mit den aufgebockten Velos ihren eigenen Strom. Das Publikum ist aufgefordert, sie dabei zu unterstützen: Treten Sie zu!

Cello Joe (© Harald Keller)

Cello Joe (© Harald Keller)

Zweitverwerter

Richtig pfiffig zeigt sich neuerdings die ARD: Man titelt Übernahmen von Arte einfach um und gibt sie als Erstaufführungen aus. Die für den heutigen Dienstag angekündigte Dokumentation „Die Ehre der Paten – Russlands Mafia“ war nämlich am 11. Mai schon bei Arte im Rahmen eines Themenabends zu sehen, hieß dort aber „Diebe im Gesetz“. Darauf reingefallen sind bzw. zu Handlangern der ARD wurden unter anderem die TV-Zeitschrift „Gong“, die „tageszeitung“ und der „Tagesspiegel“.

Zweierlei Maß?

Der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust gegenüber „SpiegelOnline“ über die künftige Zusammenarbeit mit Harald Schmidt: „Uns geht es zuerst ums Konzept und dann um die Person, mit der wir das umsetzen. Wenn etwas nicht funktioniert, gehen wir vor wie der Bundestrainer und besetzen um.“

Der NDR-Intendant Lutz Marmor gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ auf die Frage, ob es bereits ein Konzept für die neue Sonntags-Talkshow mit Günther Jauch gebe: „Es geht um eine Sendung, die im Herbst 2011 ins Fernsehen kommen wird. Bis dahin ist noch eine Menge Zeit.“

Rückkehr an den Ort des Schreckens

Traumabewältigung per Kamera: Britischer Regisseur drehte Dokumentation über die eigene Entführung

Im Jahr 2003 wurde der britische Filmproduzent Mark Henderson gemeinsam mit anderen Rucksackreisenden, darunter fünf Israelis und eine Deutsche, beim Besuch der Ruinen der „Verlorenen Stadt“ in Kolumbiens Sierra Nevada von Guerilleros in den Dschungel verschleppt. Über drei Monate lang lebten die Geiseln in Angst und Ungewissheit und unter erbärmlichen Umständen, weil ihre Entführer aus Angst vor Entdeckung rastlos durch die Berge zogen. Diese Gruppe hatte mehr Glück als andere Kidnappingopfer: Nach gut drei Monaten kam sie auf Vermittlung eines katholischen Bischofs frei.

Zu seiner grenzenlosen Überraschung erhielt Henderson einige Zeit später – die sozialen Netzwerke des Internets machen es möglich – eine E-Mail von einem seiner Entführer, der sich Antonio nennt. Mit den Jahren entwickelte sich eine rege Korrespondenz.

2009 kehrte Henderson zusammen mit einigen Leidensgenossen und einem Kamerateam unter Geleitschutz der kolumbianischen Armee an den Ort seines Martyriums zurück. Henderson fungierte zugleich als Protagonist, Regisseur und Produzent. Im Film wird offensichtlich, dass er den Besuch mit der Hoffnung verbindet, sein anhaltendes Trauma bewältigen zu können. Auch die Dreharbeiten sind dabei ein Mittel zum Zweck.

Hendersons Film ist ein Dokument einer Erkundung. Die Entführungsopfer suchen sich zu vergegenwärtigen, was vor sieben Jahren geschah, sprechen über ihre Empfindungen und die Nachwirkungen. „Ein Teil von mir ist hier gestorben“, sagt die Deutsche Reini, „und den bekomme ich wohl auch nie wieder zurück.“ In Rückblenden wird mit Hilfe von damaligen Nachrichtenbildern das Geschehen des Jahres 2003 rekapituliert. Auch Hendersons Eltern sind zu sehen, wie sie um ihren Sohn bangen und wie sie die Nachricht von der Freilassung erreicht. Im Gespräch mit Mark berichten sie später, dass ihnen in dieser Zeit nicht nur Verwandte und Freunde, sondern sogar völlig Fremde Anteilnahme spendeten. Zwischendurch lösen sich Henderson und seine Koregisseurin Kate Horne vom rein dokumentarischen Duktus, lassen Raum für Emotionen und Reflexionen und gestatten sich essayistische Passagen, die mit kontemplativen Bildern vom Regenwald illustriert werden.

Aber Henderson beschränkt sich keineswegs auf die Betroffenenperspektive. Er bezieht die Kolumbianer mit ein, spricht mit Dorfbewohnern, die unter den Guerilleros wie den Paramilitärs gleichermaßen leiden. Höhepunkt des Films ist die konspirative Begegnung mit Antonio und seiner Frau, die dem Untergrundkampf längst entsagt haben, aber versteckt leben müssen, die sich einerseits an Erklärungen versuchen, andererseits Mitgefühl für die Opfer und auch Reue zeigen.

„Kidnapped“ ist in jedem Fall ein besonderer Film, der angesichts der  einzigartigen Voraussetzungen kaum je seinesgleichen finden wird. Die in internationaler Koproduktion entstandene Dokumentation ist heute, 20.6., um 22.15 Uhr auf Arte und danach noch sieben Tage lang auf http://www.arte.tv zu sehen.