Wächter mit besonderen Vorlieben

Die nun auch schon 33-jährige und dennoch weiterhin in allen jugendorientierten Digitalkanälen herumgeisternde Moderatorin Sarah Kuttner trug dieser Tage, wie die „Hamburger Morgenpost“ berichtete, im Zuge einer Lesung aus ihrem Buch „Wachsstumsschmerzen“ eine Passage vor, die man, wenn sie denn der Meinung der Autorin entspricht, als rassistische Äußerung bewerten müsste. Das hätte man klären können. Kuttner jedoch verhielt sich, glaubt man der Berichterstattung, denkbar ungeschickt, als sie sich der nötigen Diskussion entzog. Öffentliche Kritik und eine Anzeige wegen Beleidigung waren die Folgen.

Neben anderen sah sich Kuttners Kollege Mola Adebisi, selbst schwarzer Hautfarbe, zu einem Kommentar veranlasst und sagte auch: „Ich würde mich freuen, wenn sie mal Juden-Witze machen würde, dann wäre ihre Karriere nämlich beendet!“

In diesem Punkt irrt Adebisi. Denn wenn die kritische Öffentlichkeit einmal Gefallen gefunden hat an einer Medienperson, dann kommt diese auch mit solchen Missgriffen durch: Wie seinerzeit unter anderem in der „Funkkorrespondenz“ hinlänglich dokumentiert wurde, verglich Kuttner vor einigen Jahren in ihrer Sendereihe „Sarah Kuttner – Die Show“ das Verhältnis zwischen ihrem Gesprächsgast Christine Westermann und deren „Zimmer frei!“-Ko-Moderator Götz Alsmann mit dem zwischen „dem Führer“ und „den Juden“. Da musste Frau Westermann kräftig schlucken. Weitere Konsequenzen dieser geschmacklosen Äußerung sind nicht bekannt. Und auch die jüngste Auffälligkeit von Frau Kuttner wurde hier schon wieder verharmlost.

Schlussfolgerung: Die skandalisierende Empörung geschieht selektiv und folgt ganz eigenen Regeln. Als vor Jahren ein niedersächsischer Ministerpräsident mit Namen Christian Wulff, damals noch strahlender Sonnyboy des Medienbetriebs, nach Angaben mehrerer Zeugen Einfluss auf die öffentlich-rechtlich verfasste Medienanstalt seines Landes nahm und damit gegen geltendes Recht verstieß, hielt das niemand für berichtenswert. Die „Frankfurter Rundschau“ versteckte einen entsprechenden, von der Redaktion stark gekürzten Beitrag am unteren Ende ihrer Medienseite. Auch die „Funkkorrespondenz“, die ihrerseits recherchiert hatte, machte die Angelegenheit publik. Aber das war’s denn auch.

Soviel noch mal zur Wächterfunktion der Tagespresse …