Bloß kein Kopfzerbrechen – Von Publikumsräten und Programmplätzen

Eine Meldung machte die Runde: Der „ZDF-Publikumsrat“ habe offiziell Beschwerde beim ZDF-Fernsehrat gegen Moderator Markus Lanz wegen dessen konfrontativen Verhaltens beim Gespräch mit seinem Talk-Gast Sahra Wagenknecht erhoben. Der „Süddeutschen Zeitung“ muss das Konzept eines „Publikumsrates“ so schlüssig erschienen sein, dass deren Redakteure das Gremium als Faktum ansahen. Und diesen Irrtum auch in ihre Berichterstattung einfließen ließen. Andere, vor allem boulevardeske Internetportale, taten es der Münchner Tageszeitung nach.

Einige haben sich inzwischen korrigiert, wenn auch beileibe nicht alle. Denn ein „Publikumsrat“ existiert in Deutschland gar nicht. Vielmehr wurde in privater Initiative von der Kommunikationswissenschaftlerin Dr. Christine Horz (Frankfurt/Erfurt) und der Medienpädagogin Dr. Sabine Schiffer (Erlangen/Berlin), deren „Schriftenverzeichnis“ auch Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Organen wie „Bild + Funk“, „Super TV“ und „Gong“ umfasst, eine Web-Seite geschaffen, die die Einrichtung eines „Publikumsrates“ fordert, diesem Vorhaben zuarbeiten soll und zu diesem Zweck auch bereits Spenden sammelt. Die Initiatorinnen verstehen den zu gründenden „Publikumsrat“, so formulieren sie auf ihrer Webseite, „als unabhängige Interessenvertretung und Mittlerin zwischen Publikum und Rundfunkanstalten“.

Ein „Publikumsrat“ sei nötig, weil „Programminhalte ausgedünnt“ würden und generell den Zuschauern als Geldgebern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein Mitspracherecht zustünde. Offen bleibt, wie ein solcher „Rat“ zusammengesetzt sein soll und wie und von wem seine Mitglieder bestimmt oder gewählt werden. In jedem Fall bauen die beiden Aktionistinnen auf den akademischen Bereich, wie sie schreiben: „Die Initiative ‚Publikumsrat‘ wird von Kommunikations- und Medienwissenschaftler/innen unterstützt und kann folglich die notwendige Fachkenntnis und Neutralität gewährleisten.“

Vage verweisen sie auf existierende „Publikumsräte“ in anderen Ländern wie etwa Österreich. Die allerdings sind nicht anders zusammengesetzt als öffentlich-rechtliche Rundfunkgremien in Deutschland: In Österreich beispielsweise treffen sich 36 Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen wie Kirchen, Gewerkschaften, Sportverbände regelmäßig, um „Empfehlungen an die Geschäftsführung des ORF zur Programmgestaltung“ auszusprechen. „Darüber hinaus hat das Gremium ein Vorschlagsrecht betreffend die Volksgruppenprogramme und betreffend den technischen Ausbau des ORF“, heißt es in der Satzung. Folgt man diesem Modell, wird ein Gremium geschaffen, dessen Aufgaben in Deutschland bereits anderweitig vergeben sind und erledigt werden.

Vernachlässigt wurde in der Debatte bislang, dass es in Westdeutschland ähnliche Initiativen bereits gegeben hat. 1963 schlagzeilte die Presse, ganz ähnlich wie heute: „Fernsehverband wird aktiv. Gebührenzahler wollen Mitsprache“. Damals konkurrierten gleich mehrere Vereine darum, die Zuschauerschaft bei Hörfunk und Fernsehen vertreten zu dürfen. Die „Funk- und Fernsehfreunde e. V.“ (FFF) in Wuppertal beispielsweise verfolgten als Ziel die „Mitgestaltung und Mitberatung an den (…) Programmen aller Funk- und Fernsehsendungen“. Als Vorsitzender fungierte der Kaufmann und Nebenberufs-Komponist Hans Kölsch, der sogar eine Gesetzesänderung forderte, um den angeblich 3.000 Mitgliedern seines Vereins direkten Einfluss auf die Programmgestaltung zu ermöglichen. In etwas wirrer Diktion beschrieb er damals in einem Interview mit dem Süddeutschen Rundfunk seine Vorstellungen von einem verbesserten Programm: „Leichte Lektüre, leichtere Darbietungen. Meinetwegen gute Operetten. Oder sehr gute Fernsehspiele, die den Menschen im Prinzip erfassen. Aber die nicht so komplizierte Situationen darstellen, wie man das uns so manchmal inhaltlose Wiedergaben, die vollkommen desinteressiert sind.“ [Sic!] Weiterlesen