Fallgrube für Abschreiber


Mein Ausbilder seinerzeit pflegte zu sagen: Wo man hinpackt, packt man in die Sch…
Aus ähnlichen Gründen gilt Wikipedia im Wissenschaftsbereich nicht als zitable Quelle und sollte, was leider nicht der Fall ist, auch für Journalisten tabu sein. Hallo nach Berlin zum „Tagesspiegel”. Gerade fand sich mal wieder ein Beispiel, warum das so ist. Wikipedia schreibt:
„Für Tykwer ist Babylon Berlin nach der Netflix-Serie Sense8 die zweite Fernsehproduktion.[20][21] Er sieht die Serie in der Tradition von erfolgreichen US-amerikanischen Serien wie The Sopranos, The Wire, Mad Men, Breaking Bad, Six Feet Under oder Boardwalk Empire, die horizontal erzählte Geschichten ins Fernsehen (und Streaming-Dienste) brachten.”
Folgt man der Quellenangabe, gelangt man zu dieser Passage:
„Für mich waren die ‚Sopranos‘ seinerzeit eine Art Erweckungserlebnis. Die neue Art, Geschichten zu erzählen, die diese Fernsehserie aufbrachten und mit der sie eine neue Tradition begründete, hat mit Sicherheit auch mein Schreiben beeinflusst, jedenfalls mein fiktionales Denken. Und wenn dann die Welt von Gereon Rath in genau dieser Tradition adaptiert werden soll, in der Tradition von Serien wie ‚The Wire‘, ‚Mad Men‘, ‚Breaking Bad‘, ‚Six Feet Under‘, ‚Boardwalk Empire‘, so ist das genau das, was ich mir für diesen Stoff immer gewünscht habe.”
NUR: Das sagt nicht Tykwer, sondern der Autor der Vorlage, Volker Kutscher.
Und „Sense8” war nicht Tykwers erste Fernseharbeit; seinen Debütfilm „Die tödliche Maria” realisierte er beim ZDF, Redaktion „Kleines Fernsehspiel”.
Quod erat demonstrandum.
I rest my case.

Der Traum von der Regentschaft der Kreativen

Eine rührend naive Bemerkung fand sich kürzlich auf faz.net. Claudia Reinhard berichtet über die Serienauswahl der diesjährigen Berliner Filmfestspiele und stellt fest, dass der „Trend zur Mini-Serie“ vor allem dort bestehe, „wo die künstlerische Vision im Vordergrund steht, wo die Kreativen die Zügel in der Hand haben und die monetäre Auswertung nicht das oberste Ziel ist. ‚Arthouse’ hätte man das früher genannt, heute spricht man von Produktionen für ‚Nischen’, die dann aber immer öfter doch das große Publikum erreichen, wie der Erfolg von ‚Stranger Things’ oder ‚Das Damengambit’ zeigt.“

Diese – in einer wirtschaftsnahen Zeitung schon doppelt verwunderliche – Vorstellung geistert bereits geraume Zeit durch die Feuilletons. Demzufolge haben in einer vermeintlich gründlich umgestalteten Produktionslandschaft „die Kreativen“ das Heft übernommen. Kaufleute und Buchhalter agieren nur noch als willige Erfüllungsgehilfen.

In der Realität gilt das weder fürs Arthouse-Kino noch für Mini- oder andere Serien. Wer je hinter die Kulissen eines sogenannten „Arthouse-Kinos“ blicken durfte, weiß, wie hier das Geld die Entscheidungen bestimmt. Nicht anders in den diversen Unternehmen, die das Produkt Film herstellen und vermarkten. Im Serienbereich schaue man sich an, wie schnell Produktionen beendet und / oder aus dem Programm geworfen werden, wenn sie die ökonomischen Erwartungen nicht erfüllen. Siehe beim Marktführer Netflix zum Beispiel „Sense8“ der Wachowski-Schwestern, „Marco Polo“ oder auch „Skylines“. Zur Amortisation trägt übrigens auch die Schleichwerbung bei. Ein Paradebeispiel liefert die Netflix-Serie „Ragnarök“.

Und die leitenden Produzenten, vulgo Showrunner, sind mitnichten unangreifbar, sondern abhängige Dienstleister auf einem Schleudersitz. Frank Darabont, Schöpfer, Regisseur und anfangs Showrunner des Serienerfolgs „The Walking Dead“, wurde nach anderthalb Staffeln entlassen und musste seine finanziellen Ansprüche auf dem Rechtsweg einfordern. Donald P. Bellisario verlor 2007 den Job als Showrunner bei der von ihm kreierten Serie „Navy CIS“. Über den Serienableger „Navy CIS: L. A.“ kam es auch hier zu einem Rechtstreit.

Der korrekte Begriff für Filme, bei denen „die monetäre Auswertung nicht das oberste Ziel ist“, lautet nicht „Arthouse“-, sondern Amateurfilm.

© 2015 NBCUniversal Media, LLC - © RTL II

Auf ihr lastet eine schwere Bürde: Danika Yarosh als Malina. © 2015 NBCUniversal Media, LLC – © RTL II

 

Als im vergangenen Jahr die Geschwister Lilly und Lana Wachowski ihre Erzählserie „Sense8“ veröffentlichten, verspürten manche Serienfans so etwas wie ein Déjà-vu. Eine Geschichte über einander unbekannte, in aller Welt verteilte Menschen, die per Vorsehung miteinander verbunden sind – das hatte man recht ähnlich schon einmal gesehen: Die Serie heißt „Heroes“, stammt von dem erfahrenen Produzenten Tim Kring und erlebte 2006 in der Senderkette NBC eine bei Kritik und Publikum vielbeachtete Premiere.

Wo andere bereits eingeführte Comic-Reihen adaptieren und von deren Erfolg zu profitieren versuchen, kehrte Tim Kring das Prinzip um. Er gestaltete seine Serie nach Art eines Superhelden-Comics. Den gab es auch – aber als Folgeprodukt, zunächst im Web, dann auch in gedruckter Form.

„Heroes“ erzählte eine hochgradig verschachtelte Geschichte unterschiedlicher Menschen, die mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattet sind. Die machen sie nicht zu bewunderten Superhelden alter Schule, sondern zu Außenseitern. (…)

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